Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
Ehemann die Lippen geben muß, und in der That, hätte ich jemals dahin gebracht werden können, mich zu verheiraten, ich glaube, es würde sehr lange gedauert haben, ehe mich mein Gemahl bis dahin gebracht hätte.« – »Sie werden mir es verzeihen, meine gnädigste Tante,« sagte Sophie, »wenn ich eine Anmerkung mache; Sie gestehen, daß Sie manche Liebhaber gehabt haben, und die Welt weiß es, wenn Sie es auch gleich selbst leugnen wollten. Sie schlugen sie alle aus, und [227] ich bin doch überzeugt, daß wenigstens einer mit einer Grafenkrone darunter war.« – »Du hast ganz recht, meine teuerste Sophie!« antwortete sie, »mir ward einst ein Graf angetragen.« – »Nun denn,« sagte Sophie, »warum wollen Sie mir nicht erlauben, daß ich nur dies eine Mal nein sage?« – »Es ist wohl wahr, liebes Kind,« sagte sie, »daß ich den Antrag eines Grafen ausgeschlagen habe, aber es war kein so guter Antrag, das heißt, zu sagen, ein so sehr, sehr guter Antrag.« – »Sei es! gnädige Tante,« sagte Sophie. »Aber Ihnen sind auch sehr große Vorschläge geschehen, von Männern von sehr vielem Vermögen. Es war nicht der erste, nicht der zweite, noch der dritte vorteilhafte Vorschlag, der Ihnen angetragen wurde.« – »Ich muß gestehen,« sagte sie, »das war es nicht!« – »Nun gut! gnädige Tante,« fuhr Sophie fort, »warum soll ich denn nicht erwarten dürfen, daß mir noch ein zweiter und vielleicht vorteilhafterer angeboten würde, als dieser? Sie sind noch eine junge Dame, und ich bin versichert, Sie würden nicht versprechen, gleich dem ersten Liebhaber der käme, die Hand zu geben, und wenn er auch sehr reich wäre, und von noch so hohem Rang und Titel dazu. Ich bin ein sehr junges Mädchen und habe gewiß immer auch noch Hoffnung.« – »Nun wohl, meine liebe, liebe Sophie,« sagte die Tante, »was soll ich dir sagen, was willst du?« – »Alles, was ich bitte ist, daß ich mit dem Grafen nicht allein gelassen werden soll, zum wenigsten nur heute Abend nicht. Bewilligen Sie mir das, so unterwerfe ich mich, wenn Sie dafür halten, daß es nach dem was vorgefallen ist, noch schicklich sei, ihn in Ihrem Beisein zu sehn.« – »Gut, ich will das bewilligen!« sagte die Tante. »Sophie, Sophie! du weißt daß ich dich lieb habe und dir nichts abschlagen kann, du weißt wie leicht ich von Natur zu erbitten bin. Ich bin nicht immer so leicht zu erbitten gewesen, ich bin vordem für grausam gehalten worden, von den Mannspersonen, meine ich; sie hießen mich die grausame Parthenissa. Ich habe manche Fensterscheibe entzwei geschlagen, worauf Verse an die grausame Parthenissa geschrieben standen. Mein liebes Sophiechen! ich bin niemals so schön gewesen als du; aber doch hatte ich vordem eine Aehnlichkeit mit dir. Ich bin ein wenig verändert. Königreiche und Staaten leiden Veränderungen, wie Tullius Cicero in seinen Episteln sagt; so müssen sich ja die menschlichen Gestalten auch wohl verändern.« – Auf diese Art schwatzte sie fort, beinahe eine halbe Stunde, über ihre Person, über ihre Eroberungen und über ihre Grausamkeit bis zur Ankunft des Grafen, welcher nach einem sehr langweiligen Besuche, währenddessen das alte Fräulein von Western nicht einmal Miene machte, als ob sie weggehn wollte, sich wieder wegbegab, ebensowenig erbaut von der Tante, als von der Nichte; denn Sophie hatte ihre Tante in eine so vortreffliche Stimmung gesetzt, daß sie fast in alles willigte, was ihre Nichte begehrte, und der Meinung ward, ein zurückhaltendes Betragen möchte gegen einen so zudringlichen Liebhaber nicht ganz undiensam sein.
    Sonach hatte Sophie durch ein wenig wohlangebrachte Schmeichelei, worüber sie gewiß niemand tadeln wird, ein wenig Ruhe für [228] sich selbst erhalten, und zum wenigsten das böse Stündlein verschoben. Und nachdem wir nunmehr unsre Heldin in einer bessern Lage gesehen haben, als sie bis dahin seit langer Zeit gewesen ist, wollen wir uns auch ein wenig nach dem Herrn Jones umsehen, den wir in den allerkläglichsten Umständen verlassen haben, die man nur erdenken kann.

Fünftes Kapitel.
    Madame Miller und Herr Nachtigall besuchen Jones im Gefängnis.
     
    Als Herr Alwerth und sein Neffe hingegangen waren, mit Junker Western zu Mittag zu essen, machte sich Madame Miller auf den Weg nach ihres Schwiegersohnes Wohnung, um ihn von dem Zufalle zu benachrichtigen, welcher seinen Freund Jones betroffen hatte. Er hatte solchen aber schon längst von Rebhuhn erfahren; denn Jones,

Weitere Kostenlose Bücher