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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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als er von Madame Miller wegzog, hatte in eben dem Hause, worin Herr Nachtigall wohnte, ein Zimmer bekommen. Die gute Frau fand ihre Tochter in großer Betrübnis über das Unglück des Herrn Jones, und nachdem sie solche so gut getröstet hatte, als sie vermochte, ging sie nach der Turmpforte, woselbst er, wie sie hörte, in Verwahrung saß, und woselbst Herr Nachtigall schon vor ihr angekommen war.
    Die Anhänglichkeit und Beständigkeit eines wahren Freundes ist für Menschen, die sich in irgend einer Not befinden, ein so außerordentlich erfreulicher Umstand, daß sie, wofern die Not bloß vorübergehend und irgend einer Erleichterung fähig ist, durch diesen Trost, den sie mit sich führt, mehr als reichlich ersetzt wird. Auch sind Beispiele von dieser Art nicht so selten, als einige flache und nächlässige Bemerker ausgesprengt haben. Wenn man die Wahrheit sagen will, so muß man den Mangel an Mitleiden nicht unter unsre allgemeinen Fehler zählen. Die schmierigste Schwärze, welche unsern Charakter besudelt, ist der Neid. Er macht, daß wir selten, wie ich besorge, unsre Augen nach denen in die Höhe richten, welche kundbarerweise größer, besser, weiser oder glücklicher sind, als wir selbst, ohne einen Grad von Groll zu empfinden, unterdessen daß wir gemeiniglich auf den Geringen und den Elenden mit ziemlich viel Wohlwollen und Bedauern herabsehen. In der That habe ich bemerkt, daß die meisten von den Freundschaftsbrüchen, welche sich unter meinen Augen begeben haben, bloß vom Neide herrührten. Ein höllisches Laster! Und dennoch habe ich nur wenige gekannt, die davon durchgängig frei waren. Doch genug über einen Gegenstand, der mich, wenn ich ihn verfolgen wollte, zu weit führen würde.
    Ob die Göttin des Glücks besorgte, Jones möchte unter der Last seiner Widerwärtigkeiten erliegen und sie dadurch alle fernere Gelegenheit verlieren, ihn weiter zu quälen; oder ob sie wirklich von ihrer Strenge gegen ihn etwas nachließ, – genug, sie schien in ihren Verfolgungen ein wenig milder zu werden, weil sie ihm die Gesellschaft von zwei so treuen Freunden, und was vielleicht noch [229] seltener ist, eines anhänglichen Bedienten zuschickte. Denn Rebhuhn, so manche Unvollkommenheiten er auch an sich hatte, war in der Treue bewährt, und ob ich gleich glaube, daß seine Furchtsamkeit nicht würde zugegeben haben, sich für seinen Herrn hängen zu lassen, so hätte man ihn doch mit aller Welt Gütern nicht bestechen können, ihm untreu zu werden.
    Unterdessen daß Herr Jones über die Gegenwart seiner Freunde seine innige Zufriedenheit an den Tag legte, kam Rebhuhn mit der Nachricht an, daß Herr Fitz Patrick immer noch lebe, obgleich der Wundarzt erklärte, daß er nur wenig Hoffnung habe. Als hierbei Herr Jones sehr tief seufzte, sagte Nachtigall zu ihm: »Mein liebster Tom, warum wollen Sie sich so über einen Zufall härmen, der, seine Folgen mögen nun auch sein, welche sie wollen, für Sie keine Gefahr haben kann, und bei welchem Ihnen Ihr Gewissen nicht die geringste Schuld vorwerfen kann. Wenn der Kerl auch sterben sollte, was haben Sie denn mehr gethan, als zu Ihrer Selbstverteidigung einem Ruffian das Leben genommen? So wird ohne Zweifel die Findung der geschwornen Richter über den toten Körper lauten, und dann wird es Ihnen nicht schwer fallen, sich gegen Bürgschaft aus dem Arrest zu befreien. Freilich werden Sie sich, der Formalität gemäß, zu einem öffentlichen Verhöre stellen müssen, das ist aber ein Verhör, das mancher Mensch an Ihrer Stelle für einen halben Gulden über sich halten lassen würde.« – »Kommen Sie, kommen Sie, lieber Herr Jones!« sagte Madame Miller. »Heitern Sie sich auf! Ich weiß, Sie können nicht der angreifende Teil gewesen sein, das habe ich Herrn von Alwerth bereits gesagt, und das soll auch er noch bekennen, denn eher wird er mich nicht los.«
    Jones antwortete mit großer Ernsthaftigkeit, sein Schicksal möge ausfallen wie es wolle, so würde er es immer beklagen, daß er das Blut eines seiner Mitmenschen vergossen hätte, als einen der größten Unglücksfälle, die ihm hätten begegnen können. »Aber ich habe noch ein anderes Unglück, welches mein Herz an der zärtesten Saite berührt. – O Madame Miller, ich habe verloren, was ich in dieser Welt am teuersten hielt.« – »Das muß eine Geliebte sein:« sagte Madame Miller. »Aber kommen Sie, kommen Sie! ich weiß mehr als Sie sich einbilden (denn in der That hatte Rebhuhn alles

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