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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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als er schon ausrief: »Hier, gnädger Herr, hier ist sie selbst, die Frau! dieß ist die unselige Mutter des Herrn Jones. Ich bin ganz sicher, sie wird mich vor Ewr. Gnaden freisprechen – Ich bitte, Madame, sprechen Sie! –«
    Madame Waters, ohne im geringsten darauf zu achten, was Rebhuhn sagte, und fast ohne zu thun, als ob sie ihn sähe, ging auf Alwerth zu: »Ich glaube, Herr von Alwerth,« sagte sie, »es ist solange her, seitdem ich die Ehre gehabt habe Sie zu sehen, daß Sie sich meiner nicht mehr erinnern.« – »In der That, Madame,« antwortete Alwerth, »Sie haben sich in mancherlei Betracht so sehr verändert, daß ich mich Ihrer nicht so augenblicklich wieder erinnert haben würde, hätte mir dieser Mann hier nicht bereits gesagt, wer Sie sind. Haben Sie eine besondre Angelegenheit, Madame, weswegen Sie zu mir kommen?« – Herr Alwerth sprach dieses mit trockner Kälte; denn der Leser wird leicht glauben, daß er mit der Aufführung der Dame nicht sonderlich zufrieden gewesen sei, so wenig nach dem, was er vormals gehört, als nach dem, was er eben von Rebhuhn vernommen hatte.
    Madame Waters antwortete: – »In der That, Herr von Alwerth, ich habe eine sehr geheime Angelegenheit bei Ihnen, und sie ist von der Beschaffenheit, daß ich solche niemanden außer Ihnen selbst anvertrauen kann. – Ich muß also um die Gewogenheit bitten, [270] ein Wort mit Ihnen allein zu sprechen; denn ich versichre Sie, was ich Ihnen zu sagen habe, ist von der größten Wichtigkeit.«
    Rebhuhn erhielt also Befehl sich zu entfernen, bevor er aber hinausging, bat er die Dame, Herrn Alwerth zu überzeugen, daß er völlig unschuldig wäre. Worauf sie antwortete: »Sein Sie unbesorgt, Herr Rebhuhn, ich werde Herrn von Alwerth über diesen Punkt nicht den geringsten Zweifel lassen.«
    Hierauf begab sich Rebhuhn hinweg, und dasjenige was zwischen Herrn Alwerth und Madame Waters vorfiel, steht im nächsten Kapitel geschrieben.

Siebentes Kapitel.
    Fortsetzung der Geschichte.
     
    Als Madame Waters noch einige Augenblicke schwieg, konnte Herr Alwerth nicht umhin, zu sagen: »Es thut mir leid, Madame, daß ich aus dem, was ich seitdem gehört habe, gewahr werden muß, wie Sie einen so schlechten Gebrauch von –« – »Teuerster Herr von Alwerth!« fiel sie ihm in die Rede »ich habe meine Fehler, und weiß es; aber Undankbarkeit gegen Sie ist nicht mit darunter. Ich habe und werde Ihre Güte nie vergessen, die ich freilich nicht sonderlich verdient habe. Indessen bitt' ich, geruhen Sie alle Vorwürfe, die Sie machen können, für jetzt noch aufzuschieben, weil ich Ihnen eine so wichtige Sache mitzutheilen habe, die den jungen Mann betrifft, dem Sie meinen Jungfernnamen Jones gegeben haben.« – »So hätte ich also wirklich unwissenderweise,« sagte Alwerth, »einen unschuldigen Menschen in der Person desjenigen bestraft, der eben das Zimmer verlassen hat? War er nicht der Vater des Kindes?« – »In Wahrheit, das war er nicht!« sagte Madame Waters. »Sie werden die Güte haben, sich zu erinnern, wie ich Ihnen damals sagte, Sie sollten es eines Tages erfahren; und ich erkenne mich einer grausamen Versäumnis schuldig, daß ich es Ihnen nicht schon längst entdeckt habe. – Aber, wie konnte ich denken, daß es so höchst notwendig wäre.« – »Recht wohl, Madame!« sagte Alwerth; »fahren Sie fort.« – »Sie müssen sich noch eines jungen Menschen Namens Sommer erinnern, Herr von Alwerth!« – »Sehr gut noch!« rief Alwerth. »Er war der Sohn eines Geistlichen von großer Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, zu dem ich eine herzliche Freundschaft trug.« – »Das haben Sie bewiesen, Herr von Alwerth,« sagte sie, »denn, ich glaube, Sie ließen den Jüngling erziehen, und unterhielten ihn auf der Universität; von da, wenn ich mich richtig erinnere, zog er zu Ihnen ins Haus. Einen feinern Mann, das muß ich sagen, hat die Sonne nie beschienen, denn er war nicht nur die schönste Mannsperson, die ich jemals gesehen habe, sondern auch äußerst artig, und hatte ungemein viel Witz und gute Lebensart.« – »Der arme liebe Mann!« sagte Herr Alwerth; »er ward wirklich frühzeitig hinweggerafft, und ich hätte mir es nicht träumen lassen, daß er eine Sünde von dieser [271] Art zu verantworten hätte; denn ich sehe deutlich genug, was Sie mir sagen wollen, daß er der Vater Ihres Kindes war.« »In Wahrheit, Herr von Alwerth, das war er nicht!« antwortete sie. »Wie?« sagte Alwerth, »wozu denn diese ganze Vorrede?«

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