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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Gläsern zurück; woselbst über den Vorfall mit dem Vogel ein Gespräch erfolgte, das so sonderbar war, daß wir meinen, es verdiene sein eigenes Kapitel.

Viertes Kapitel.
    Enthält solche gründliche und ernsthafte Materien, daß vielleicht einige Leser wenig Behagen daran finden werden.
     
    Quadrat hatte nicht so bald seine Pfeife angezündet, als er sich an Herrn Alwerth wendete und folgendergestalt anhub: »Herr, ich kann nicht umhin, Ihnen zu Ihrem Neffen Glück zu wünschen, der in einem Alter, worin wenige Knaben andere als sinnliche Begriffe haben, schon das Vermögen erlangt hat, zwischen Recht und Unrecht zu distinguieren. Irgend ein lebendiges Wesen einzuschränken, scheint mir gegen das Gesetz der Natur, nach welchem jedes Ding ein Recht zur Freiheit hat. Das waren seine Worte; und der Eindruck, den solche auf mich gemacht haben, wird niemals wieder verlöschen. Kann ein Mensch auf der Welt höhere Begriffe von der Regel des Rechts und der ewigen Harmonie der Dinge haben? Ich kann mich nicht entbrechen, mir von solch einer Morgenröte zu versprechen, daß der volle Tag dieses Jünglings ebenso [131] glänzend sein muß, als eines von beiden, des ältern oder des jüngern Brutus.«
    Hier fiel ihm Schwöger hastig ins Wort, verschüttete etwas Wein aus dem Glase, verschlang eilig das übrige und antwortete: »Aus einem andern Ausdruck, dessen er sich bediente, hoff' ich, soll er viel bessern Männern ähnlich werden. Gesetz der Natur ist ein Klingklang von Worten, wohinter gar nichts steckt. Ich weiß nichts von solchen Gesetzen, noch von irgend einem Recht, das daraus hergeleitet werden könnte. Thu' andern, was du willst daß dir geschehe, das ist das wahre christliche Motiv, wie sich der Knabe sehr richtig ausdrückte; und ich freue mich, zu finden, daß mein Unterricht so gute Früchte erzeugt hat.«
    »Wenn Eitelkeit mit der ewigen Harmonie der Dinge bestehen könnte,« sagte Quadrat, »so dürfte ich mir über eben den Umstand vielleicht einiges erlauben; denn, aus welcher einzigen Quelle er seine Begriffe von Recht und Unrecht geschöpft haben könne, liegt, sollt' ich meinen, klar genug am Tage. Wenn es kein Gesetz der Natur gibt, so gibt's auch weder Recht noch Unrecht.«
    »Wie?« sagte der Theolog, »Sie leugnen also die Offenbarung? Sprech' ich hier mit einem Deisten oder Atheisten?«
    »Gläser eingeschenkt!« sagte Western, »packt ein, mit eur'n Gesetzen der Natur! Ich weiß nicht, was ihr beide meint, mit eur'm Recht und Unrecht! Mein'm Mädchen sein'n Vogel nehm'n, war Unrecht! das mein' ich. Und mein Nachbar Alwerth mag's mach'n wie 'r will, was schiert's mich! Aber, die Jungens in solch'n Kniffen bestärken, das heißt Galgenschweng'l draus ziehn!«
    Alwerth antwortete: was sein Neffe gethan habe, thäte ihm freilich leid; doch könne er nicht darein willigen, daß der Knabe dafür gestraft würde, weil er mehr aus einem großmütigen, als aus einem niederträchtigen Bewegungsgrunde gehandelt habe. Er sagte: »Wenn der Bursche den Vogel gestohlen hätte, so würde er selbst für eine viel strengere Züchtigung, als der Herr Nachbar, gestimmt haben. Aber es wär' klar, daß solches seine Absicht nicht gewesen.« Und in der That war es ihm klar, daß er keine andre Absicht dabei gehabt haben könnte, als die er selbst gestand. (Denn was die hämische Tücke betrifft, wegen welcher Sophie ihn im Verdacht hatte, so kam die dem Herrn Alwerth nicht einmal in die Gedanken.) Endlich schloß er damit, daß er nochmals die Handlung als unbedachtsam tadelte und solche nur bei einem Kinde für verzeihlich hielt.
    Quadrat hatte seine Meinung so unverhohlen herausgesagt, daß er, wenn er jetzt geschwiegen, gleichsam eingeräumt hätte, sein Urteil sei ganz nichtig gewesen; er sagte daher mit einiger Hitze: [132] »Herr Alwerth habe zu viel Achtung für die lumpige Rücksicht auf Eigentum. Alle dergleichen besondere Rücksichten müsse man beiseite setzen, wenn man über große und mächtige Handlungen ein Urteil fällen wollte. Denn, wenn man sich an solche eingeschränkte Regeln halten wollte, so müßte man den jüngern Brutus verdammen als einen Undankbaren, und den ältern als einen Mörder seines eignen Blutes.«
    »Und wenn sie beide wegen ihrer Schandthaten wären gehängt worden,« schrie Schwöger, »so wär' ihnen weiter nichts geschehen, als was ihre Thaten wert waren. Die heidnischen Schurken, die! Gott sei gelobt, daß wir heutigestags keine Brutusse mehr haben! Ich wünschte, Herr

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