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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Hauptgeschäft war, sein zu warten und zu pflegen, und ihr Hauptvergnügen, mit ihm zu spielen. Hier durch war Tömchen, denn so ward der Vogel genannt, so zahm geworden, daß er seiner Herrin aus der Hand fraß, sich auf ihren Finger setzte und sang und ganz ruhig in ihrem Busen lag, woselbst er sich seiner Glückseligkeit ordentlich bewußt zu sein schien; ob sie ihn gleich immer an einem dünnen Faden am Fuße gefangen hielt und sich niemals getraute ihn frei herumfliegen zu lassen.
    Eines Tages, als Herr Alwerth mit seiner ganzen Familie bei Herrn Western zum Mittagessen geladen war, befand sich Neffe Blifil mit der kleinen Sophie im Garten, und da er so die außerordentliche Liebe bemerkte, die sie zu ihrem kleinen Vogel hatte, bat er sie, sie möchte ihn doch nur auf einen Augenblick in seine Hände geben. Sophie willigte augenblicklich in das Verlangen [129] ihres Spielkameraden, und nach vorläufiger Warnung, ihn ja nicht fliegen zu lassen, gab sie ihm den Vogel hin, in dessen Besitz er sich nicht so bald sah, als er den Faden von dem Fuße abstreifte und ihn in die Luft schnellte.
    Das dumme Tier fühlte sich nicht so bald in Freiheit, als es alle Gunst, die es von Sophien genossen, vergaß, gerades Weges von ihr weg flog, und sich in einiger Entfernung auf einen Zweig setzte.
    Sophie, die ihren Vogel verloren sah, erhub ein so lautes Geschrei, daß Tom Jones, der sich nicht weit von da befand, augenblicklich zu ihrem Beistande hereilte.
    Sobald er vernommen, was vorgegangen, schalt er Blifil einen duckmäuserischen Leisetritt von Buben, warf flugs den Rock ab und machte sich dran, den Baum hinaufzuklettern, auf welchen der Vogel geflogen war.
    Tom hatte seinen kleinen Namensvetter beinahe schon wieder erhascht, als der Zweig, auf dem das Tierchen saß und der über einem Kanal hing, brach, und der arme Knabe über Hals und Kopf ins Wasser plumpte.
    Sophiens Besorgnis veränderte nun den Gegenstand, und weil sie fürchtete, des armen Jungen Leben sei in Gefahr, so schrie sie noch zehnmal lauter als vorher; und in der That half ihr jetzt Neffe Blifil aus allen Kräften schreien, was seine Kehle nur vermochte.
    Die Gesellschaft, welche in einem am Garten gelegenen Zimmer saß, ward augenblicklich aufgeschreckt und kam insgesamt herbei; aber eben, als sie den Kanal erreichten, kam Tom (denn das Wasser war zum Glück an der Stelle ziemlich flach) wohlbehalten ans Ufer.
    Schwöger fiel heftig über den armen Tom her, welcher triefend und vor Frost schaudernd vor ihm stand, als Herr Alwerth ihn bat, Geduld zu haben und darauf, indem er sich zu seinem Neffen Blifil wendete, sagte: »Sprich doch, Kind! Was hat denn dieser Auflauf zu bedeuten? Was gibts denn?« Neffe Blifil antwortete: »O, lieber Onkel, es thut mir gewiß sehr leid, was ich gethan habe; ich bin unglücklicherweise an allem schuld gewesen. Ich hatte Sophiens Vogel in der Hand, und da kam's mir vor, als ob er sich nach der Freiheit sehnte, und da konnt' ich's nicht über mein Herz bringen, ich muß es gestehen, ich mußt' ihm seinen Wunsch thun; denn ich habe immer gedacht, es wäre was Grausames darin, ein lebendiges Wesen einzusperren. Es dünkte mich gegen das Gesetz der Natur, nach welchem jedes Ding ein Recht zur Freiheit hat. Ja, es ist sogar unchristlich; denn es ist nicht [130] gethan, wie wir wollen daß man uns thue. Hätte ich aber gedacht, daß es Fräulein Fiekchen so sehr sich zu Herzen nehmen würde, so würde ich mich gewiß wohl gehütet haben es zu thun; ich hätte es auch nicht einmal gethan, wenn ich gewußt hätte, wie es dem Vogel selbst ergehen würde; denn als Tom, der den Baum hinauf kletterte, um ihn wieder zu kriegen, ins Wasser fiel, flog der Vogel wieder auf, und da kam gleich ein Habicht und fing ihn weg.«
    Die arme Sophie, die jetzt erst das Schicksal ihres Vogels vernahm, (denn ihre Besorgnis um Jones hatte sie abgehalten weiter nach dem Vogel zu sehen), vergoß nun einen Strom von Thränen. Diese suchte Herr Alwerth dadurch zu trocknen, daß er ihr einen viel hübscheren Vogel versprach; sie sagte aber, sie wolle in ihrem Leben keinen wieder haben. Ihr Vater schalt sie darüber aus, daß sie so über einen dummen Vogel heulte; konnte sich jedoch dabei nicht entbrechen, dem jüngern Blifil zu sagen: wenn er sein Sohn wäre, so wollte er ihm dafür den Rücken derb abbläuen.
    Sophie ging nun nach ihrem Zimmer; die jungen Herrchen wurden nach Hause gesandt und die übrige Gesellschaft kehrte wieder zu ihren Flaschen und

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