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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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äußert. Hierdurch unterschied sich Tom Jones sehr vorteilhaft, auf einer Seite von der lärmenden Ungezogenheit und Grobheit der bloßen Strohjunker, und auf der andern Seite von dem feierlichen und etwas finstern Betragen des jungen Herrn Blifil. Und in seinem zwanzigsten Jahre nunmehr fing er an, bei allen Frauenzimmern in der Nachbarschaft ein artiger junger Mensch zu heißen.
    Tom spielte bei Sophien keineswegs den Verliebten, ausgenommen vielleicht, daß er ihr mit mehr Ehrerbietung begegnete, als irgend einem andern Frauenzimmer. Diesen Vorzug schien ihre [136] Schönheit, ihr Vermögen, ihr Verstand und ihr liebenswürdiges Betragen ganz natürlicherweise zu verdienen. Absichten auf ihre Person aber hatte er keine. Für jetzt müssen wir's dulden, daß ihm das der Leser zur Unempfindlichkeit anrechnet; vielleicht aber sind wir in der Folge im stande, es auf eine ganz andere Art zu erklären.
    Sophie war beim höchsten Grade von Unschuld und Bescheidenheit von sehr aufgewecktem Gemüt. Diese Munterkeit ward, wenn sie mit Tom in Gesellschaft war, so sichtbarlich erhöht, daß er's hätte merken müssen, wär' er nicht zu jung und zu gedankenlos gewesen; oder daß auch beim Junker Western hätte Verdacht darüber entstehen können, wären nicht seine Gedanken fast immer im Felde, im Pferde- und Hundestalle beschäftigt gewesen. Aber dieser gute Junker war so weit entfernt, auf einen solchen Verdacht zu geraten, daß er dem jungen Menschen vielmehr alle Gelegenheit gab, mit seiner Tochter allein zu sein, die ein Verliebter sich nur immer hätte wünschen können; und diese Gelegenheit machte sich Tom in aller Unschuld weit besser zu nutze, indem er bloß den Eingebungen einer natürlichen Galanterie und eines guten Herzens folgte, als vielleicht geschehen sein möchte, wenn er die tiefsten Pläne auf das Herz des Mädchens angelegt gehabt hätte. In der That aber kann es eben keine Verwunderung verursachen, daß diese Sache der Bemerkung aller Uebrigen entwischte, weil die arme Sophie selbst kein Wort davon wußte und ihr Herz unwiederbringlich verloren war, ehe sie nur noch die geringste Gefahr ahnte. So standen die Sachen, wie Tom, als er Sophien eines Nachmittags allein fand, nach einer kurzen, mit sehr ernsthaftem Gesicht vorgebrachten Entschuldigung sein Begehren vorzubringen anfing, daß er sie um eine Gunst zu bitten hätte, welche ihre Gütigkeit, wie er hoffte, ihm nicht versagen würde.
    Ob nun gleich so wenig des jungen Menschen bisheriges Betragen, als auch die Art und Weise, wie er sein Gesuch einleitete, von der Beschaffenheit waren, daß sie ihr hätten eine billige Ursache zum Verdacht geben können, er wolle ihr einen Liebesantrag thun, so mußten doch (sei's nun, daß ihr die Natur etwas ins Ohr raunte, oder aus was Ursache sonst, die ich nicht entscheiden will, genug so viel ist gewiß) einige Ideen von der Art bei ihr entstanden sein, denn ihre Wangen verloren ihre Farbe, sie zitterte an allen Gliedern und ihre Zunge würde gestottert haben, hätte Tom auf eine Antwort gewartet; aber er erlöste sie bald aus dieser Verwirrung, indem er fortfuhr, ihr den Inhalt seines Gesuchs zu erklären, welcher darin bestand, daß er sie um ihre Fürsprache für den Wildmeister bäte, dessen eigenes sowohl als seiner Frau und [137] Kinder Verderben die unausbleibliche Folge davon sein müßte, wenn Herr Western ihn weiter gerichtlich verfolgte.
    Sophie erholte sich augenblicklich von ihrer Verwirrung und sagte mit einem höchst holdseligen Lächeln: »Ist das die wichtige Gunstbezeigung, um die Sie so feierlich baten? das will ich vom Grunde des Herzens gern thun. Ich habe wirklich Mitleiden mit dem armen Schlucker und erst gestern noch habe ich seiner Frau eine geringe Kleinigkeit hingeschickt.« Diese geringe Kleinigkeit war: eins von ihren Kleidern, etwas Wäsche und einige Gulden an Gelde; wovon Tom Jones gehört und welches ihm wirklich den Vorsatz in den Kopf gesetzt hatte, sich um diese Fürbitte zu bewerben. Unser Jüngling, der dadurch, daß es ihm so weit gelungen, kühner geworden war, wollte nun die Sache weiter treiben, und wagte es sogar, sie zu bitten, sie möchte ihn zu ihres Vaters Diensten empfehlen. Er beteuerte dabei, er hielte ihn für einen der ehrlichsten Kerle in der ganzen Gegend umher, und für die Stelle eines Wildmeisters, die eben glücklicherweise bei ihrem Herrn Vater erledigt wäre, auf alle Fälle sehr tüchtig.
    Sophie antwortete: »Gut! Auch das will ich versuchen! Aber

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