Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ich kann nicht versprechen, daß ich's eben so gut zustandebringen werde als das erste, denn so viel versichre ich Sie, ich lasse meinen Vater nicht eher, bis er mir das zugesagt hat. – Doch will ich alles für den armen Kerl thun, was ich nur kann; denn ich betrachte sowohl ihn, als die Seinigen, aufrichtiglich für einen Gegenstand des Mitleidens. – Und nun, lieber Herr Tom Jones, muß ich auch Sie um eine Gefälligkeit bitten.«
»Um eine Gefälligkeit, Fräulein! Mich!« rief Tom Jones. »Kennten Sie das Vergnügen, das Sie mir durch die Hoffnung erwecken, einen Ihrer Befehle zu erhalten, Sie würden überzeugt sein, daß Sie mir durch die bloße Erwähnung dieses Befehls die größeste Gewogenheit erweisen; denn bei dieser lieben Hand schwöre ich's, mein Leben gäbe ich gerne hin, um Ihnen einen Gefallen zu erzeigen.«
Hierbei haschte er ihre Hand und küßte solche mit Inbrunst; welches das erste Mal war, daß seine Lippen sie berührten. Das Blut, welches vorher ihre Wangen verleugnet hatte, büßte seine Sünde dadurch völlig, daß es ihre Wangen und ihren Busen mit solcher Heftigkeit durchströmte, daß sie beide die höchste Scharlachfarbe bekamen. Sie fühlte hier zum erstenmal eine Empfindung, die ihr bis dahin fremd gewesen war, und welche sie, als sie Muße gewann darüber nachzudenken, mit einem Geheimnis bekannt machte, welches der Leser, wofern er's noch nicht so ganz völlig erraten haben sollte, in gehöriger Zeit erfahren wird.
[138] Sophie, sobald sie zu reden vermochte (und das war nicht so augenblicklich), belehrte ihn, die Gewogenheit, die sie sich von ihm ausbäte, wäre, ihren Vater nicht in so viele Gefahren beim Jagen zu leiten; denn nach dem, was sie gehört, wäre sie täglich in großer Angst, wenn sie zusammen ausritten, und müßte erwarten, daß er eines Tages mit gebrochenen Gliedmaßen nach Hause gebracht würde. Sie bäte ihn deswegen, er möchte, aus Freundschaft für sie, doch vorsichtig sein: und da, wie er wohl wüßte, ihr Vater bei keinem gefährlichen Ritte ihn allein lassen oder zurückbleiben würde: so möchte er doch nicht gar zu tollkühn reiten, oder künftig so waghalsig über Graben und Hecken setzen.
Tom versprach, ihren Befehlen getreulich nachzuleben; und nachdem er ihr für die gütigste Gewährung seiner Bitte bestens Dank gesagt hatte, nahm er seinen Abschied und ging höchst entzückt über seine Verrichtung nach Hause.
Die arme Sophie war zwar auch entzückt, aber auf eine sehr verschiedene Weise. Ihre Empfindungen wird sich aber des Lesers Herz (wenn er oder sie eins hat) viel besser vorstellen, als ich sie darstellen kann, hätte ich auch so manche Zunge, als jemals ein Poet sich gewünscht hat – vermutlich um die vielen Leckerbissen zu kosten, womit er so reichlich versehen wird. Es war Herrn Westerns Gewohnheit, alle Nachmittage, sobald er sein Räuschchen hatte, seine Tochter auf'm Klavier spielen zu hören: denn er war ein großer Liebhaber der Musik und hätte, wenn er in einer Stadt gewohnt, für einen Kenner passieren mögen; denn er hatte beständig an den schönsten Kompositionen etwas auszusetzen. Nichts gefiel ihm in der Musik, was nicht leicht und singbar war. Und daher denn auch seine liebsten Stücke von folgender Art waren, als: »Ihr Schönen höret an – Die Tochter will ins Kloster ziehen – Stürmt, reißt und ras't ihr Unglückswinde – und dergleichen mehr.«
Seine Tochter war eine so feine Kennerin der Musik und eine so geschickte Klavierspielerin, daß sie für sich selbst keine andere Sachen als von Händel, Bach, Benda und solchen großen Meistern gespielt haben würde; doch war sie so sehr auf ihres Vaters Vergnügen bedacht, daß sie auch jene Murkys und Gassenhauer sich hatte aufschreiben lassen. Unterdessen versuchte sie es zuweilen, ihn zu ihrem eigenen Geschmacke herüberzuziehen, und wenn er sie um seine Leibstückchen bat, antwortete sie wohl zuweilen mit einem: »Ach, nun! lieber Papa!« und bat ihn dann, er möchte ihr erlauben, daß sie ihm eine von ihren neuen Sonaten vorspielen dürfte.
Diesen Abend aber, als ihr Vater mit seiner Weinflasche fertig war, spielte sie ihm, ohne sich erst bitten zu lassen, alle seine Leibstückchen [139] dreimal hintereinander vor. Dies gefiel dem guten Junker dergestalt, daß er aus seinem Lehnstuhl aufsprang, seiner Tochter einen Kuß gab und schwur, ihre Hand sei viel fertiger geworden. Sie nahm diese Gelegenheit wahr, ihr dem Tom Jones gegebenes Versprechen
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