Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
einer gewöhnlichen Umänderung,
Molly
hieß und für eins von den hübschesten Mädchen in der ganzen Gegend gehalten wurde.
Congreve sagt sehr wahr, in der wahren Schönheit liegt etwas, das gemeine Seelen nicht bewundern können; so kann auch weder Schmutz noch Lumpen dieses Etwas vor solchen Seelen verbergen, welche nicht von gemeinem Schlage sind.
Die Schönheit dieses Mädchens machte indessen auf Tom nicht eher Eindruck, als bis sie gegen ihr sechzehntes Jahr ging, da Tom, welcher fast drei Jahre älter war, zuerst begann einen Blick der Liebe auf sie fallen zu lassen, und diese Liebe hatte er lange zuvor schon auf das Mädchen geheftet, ehe er es von sich erhalten konnte, einen Versuch auf den Besitz ihrer Person zu thun: denn, ob ihn sein Blut zwar hierzu gar mächtig reizte, so hielten ihn doch seine Gundsätze davon eben so mächtig zurück. Ein junges Frauenzimmer verführen, so gering ihr Stand auch war, schien ihm ein schwarzes Verbrechen; und die Gewogenheit, die er für den Vater, und das Mitleiden, welches er mit seiner Familie hatte, kamen solchen enthaltsamen [143] Betrachtungen sehr stark zu Hilfe; so daß er einstens beschloß, seine Neigung gänzlich zu unterdrücken, und sich wirklich drei ganze Monate enthielt, nur einmal nach Seegrims Hause zu gehen oder seine Tochter zu sehen.
Ob nun gleich
Molly,
wie gesagt, durchgängig für ein hübsches Mädchen gehalten wurde und es auch in der That war, so war doch ihre Schönheit eben nicht von der sanftesten Gattung. Sie hatte wirklich sehr wenig Weibliches und hätte einem Manne ebensogut angestanden als einem Frauenzimmer; denn, die Wahrheit zu sagen, so hatte Jugend und blühende Gesundheit einen wichtigen Anteil an der Komposition ihrer körperlichen Schönheit; auch ihr Gemüt war eben nicht viel weiblicher als ihre Person. So wie diese groß und derb war, so war jenes dreist und kühn; so wenig besaß sie von der weiblichen Schamhaftigkeit, daß Jones mehr Achtung für ihre Tugend hatte als sie selbst, und da sie wahrscheinlicherweise den Tom eben so gerne leiden mochte als er sie, so ward sie, nach eben dem Verhältnis, wie sie seine Blödigkeit wahrnahm, dreist und vorlaut; und als sie sah, daß er ganz und gar das Haus vermied, so fand sie Mittel, sich ihm in den Weg zu stellen, und betrug sich auf eine solche Art, daß der Jüngling entweder sehr viel oder auch sehr wenig von einem Helden hätte an sich haben müssen, wenn ihr Vorhaben nicht gelungen wäre. Mit einem Wort, sie siegte bald über unsres Tom Jones tugendhafte Entschließung. Denn, ob sie schon zuletzt sich mit allen anständigen Weigerungen betrug, so will ich doch den Sieg lieber ihr zuschreiben, weil es in der That ihr Plan war, der zur Ausführung kam. Bei dieser Ausführung spielte indessen Molly ihre Rolle so gut, daß Tom Jones die Eroberung ganz allein sich selbst zuschrieb und das junge Mädchen für eine Person ansah, die sich den heftigen Anfällen seiner Leidenschaft ergeben hätte. Ebenso auch setzte er ihre Ergebung auf Rechnung der unwiderstehlichen Stärke ihrer Liebe zu ihm; und dies wird der Leser für eine sehr natürliche und wahrscheinliche Voraussetzung halten, da wir schon mehr als einmal der ungemeinen Anmut seiner Person gedacht haben; denn er war wirklich einer der schönsten Jünglinge von der Welt.
Wie es einige Gemüter gibt, welche gleich dem jungen Herrn Blifil ihre Neigung auf eine einzige Person heften, deren Nutzen und Behaglichkeit sie einzig und allein bei jeder Gelegenheit in Betrachtung ziehen; die, in Absicht aller übrigen, Gutes und Böses für ziemlich gleichgültig halten, insoferne es keinen Bezug auf den Vorteil oder das Vergnügen jener Person hat: so gibt es eine andere verschiedene Gemütsart, welche einen gewissen Grad der Tugend von der Eigenliebe fast entlehnt. Ein solches Gemüt [144] kann niemals eine Art von Gefälligkeit von einem andern Menschen erhalten, ohne das Geschöpf zu lieben, dem es diese Gefälligkeit zu verdanken hat, und ohne dessen Wohlsein zu einem notwendigen Bedürfnis für seine eigene Gemütsruhe zu machen.
Von dieser letztern Gattung war unser Held. Er betrachtete dies arme Mädchen als eine Person, deren Glückseligkeit oder Elend er von sich abhängig gemacht hätte. Ihre Schönheit war noch immer ein Gegenstand seiner Begierden, obgleich größere Schönheit oder ein frischerer Gegenstand es noch mehr gewesen sein möchten. Aber die kleine Erkältung, welche der Genuß wie einen Wirtel in dieses
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