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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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der Halle wären. McCarron reichte ihm kaum bis zur Schulter. Tom wandte sich McCarron zu, gerade als der Fahrstuhl hielt, und sagte grimmig, die Zähne zu einem Lächeln entblößt: »Sind Sie zum erstenmal in Venedig?«
    »Ja«, sagte McCarron. Er durchquerte die Halle. »Wollen wir hier hineingehen?« Er wies auf das Café. Sein Ton war höflich.
    »Gern«, sagte Tom liebenswürdig. Das Café war nicht überfüllt, aber es war kein einziger Tisch mehr frei, der außer Hörweite der anderen gelegen hätte. Würde McCarron ihn an so einem Ort überführen, ruhig ein Indiz nach dem ändern auf den Tisch blätternd? Er nahm den Stuhl, den McCarron ihm hervorzog. McCarron saß mit dem Rücken zur Wand.
    Ein Ober trat heran. »Signori?«
    »Kaffee«, sagte McCarron.
    »Cappuccino«, sagte Tom. »Möchten Sie einen Cappuccino oder einen Espresso?«
    »Welches ist der mit Milch? Cappuccino?«
    »Ja.«
    »Den möchte ich.«
    Tom bestellte.
    McCarron sah ihn an. Sein kleiner Mund lächelte schief. Drei oder vier Einleitungen fielen Tom ein, mit denen McCarron das Gespräch eröffnen könnte. »Sie haben Richard ermordet, nicht wahr? Das mit den Ringen war ein bißchen viel, meinen Sie nicht?« Oder: »Erzählen Sie mir etwas über das San Remo-Boot, Mr. Ripley, im Detail.« Oder einfach auf die sanfte Art: »Wo waren Sie am fünfzehnten Februar, als Richard in Neapel an Land ging? . . . Gut, gut, aber wo haben Sie gewohnt? Wo haben Sie beispielsweise im Januar gewohnt? . . . Können Sie das beweisen?«
    McCarron sagte überhaupt nichts, schaute jetzt nur auf seine plumpen Hände hinunter und lächelte schwach. Als wäre es für ihn so unglaublich einfach gewesen, alles zu entwirren, daß er sich jetzt kaum dazu überwinden könnte, es in Worte zu fassen, dachte Tom.
    An einem Nachbartisch schnatterten vier Italiener wie ein ganzer Gänsestall, sie kreischten in wildem Gelächter. Gern wäre Tom ein Stückchen von ihnen abgerückt. Er blieb regungslos sitzen.
    Tom saß so angespannt da, daß sein Körper sich bald wie ein Stück Eisen anfühlte, daß pure Spannung den Trotz in ihm weckte. Er hörte sich selber mit unglaublich ruhiger Stimme fragen: »Haben Sie schon die Zeit gefunden, mit Tenente Roverini zu sprechen, als Sie durch Rom gekommen sind?«, und noch während er sprach, wurde ihm bewußt, daß er mit der Frage sogar einen Zweck verfolgte: er wollte wissen, ob McCarron schon von dem San Remo-Boot gehört hatte.
    »Nein«, sagte McCarron. »Ich habe die Nachricht vorgefunden, daß Mr. Greenleaf heute nach Rom käme, aber ich bin so früh in Rom angekommen, daß ich mir überlegt habe, ich könnte noch herfliegen und ihn hier treffen - und zugleich auch mit Ihnen reden.« McCarron sah auf seine Papiere hinunter. »Was für ein Mensch ist Richard? Wie würden Sie ihn beschreiben, soweit es seine Persönlichkeit betrifft?«
    Wollte McCarron sich auf diesem Wege an ihn heranmachen? Wollte er sich noch mehr kleine Hinweise herauspicken aus den Worten, die er zur Beschreibung Dickies wählte? Oder wollte er tatsächlich bloß die objektive Meinung über Dickie hören, die er von Dickies Eltern nicht zu hören bekam? »Er wollte gern ein Maler sein«, begann Tom, »aber er wußte, daß er niemals ein guter Maler sein würde. Er gab sich Mühe, so zu tun, als machte ihm das nichts aus, als wäre er völlig zufrieden und führte genau das Leben, das er hier in Europa zu führen wünschte.« Tom befeuchtete sich die trockenen Lippen. »Aber ich glaube, dies Leben begann ihn aufzureiben. Sein Vater mißbilligte es, wie Sie wahrscheinlich wissen werden. Und Dickie selber hatte sich in eine schlimme Patsche manövriert mit Marge.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Marge liebte ihn, und er liebte sie nicht, gleichzeitig aber waren sie in Mongibello so viel zusammen, daß Marge die Hoffnung nicht aufgab . . .« Tom fühlte nach und nach festeren Boden unter den Füßen, aber er tat, als fiele es ihm schwer, sich auszudrücken. »Er hat nie richtig mit mir darüber gesprochen. Er hat immer nur Gutes gesagt über Marge. Er hatte sie sehr gern, aber jeder konnte sehen - auch Marge -, daß er sie nie heiraten würde. Marge allerdings hat nie ganz aufgegeben. Ich glaube, daß Dickie hauptsächlich deshalb aus Mongibello weggegangen ist.«
    McCarron hörte geduldig und wohlwollend zu, hatte Tom den Eindruck. »Was meinen Sie mit ›nie ganz aufgegeben‹? Was hat sie gemacht?«
    Tom wartete, bis der Ober die beiden schaumgekrönten

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