Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
sagte Tom. »Er hat sich manchmal erboten, mir mit seinen Krawatten und Jacketts auszuhelfen. Aber das ist natürlich etwas völlig anderes als das mit den Ringen.« Er hatte sich gezwungen gesehen, das zu sagen, denn Marge wußte zweifellos Bescheid über den Zwischenfall in Mongibello, als Dickie ihn in seinen Kleidern angetroffen hatte.
»Ich kann mir Dickie ohne seine Ringe nicht vorstellen«, sagte Marge zu McCarron. »Den grünen zog er ab, wenn er schwimmen ging, aber immer hat er ihn gleich wieder aufgesteckt. Die Ringe waren geradezu ein Teil seiner Kleidung. Und darum glaube ich, daß er entweder die Absicht hatte, sich umzubringen, oder daß er seine Identität wechseln wollte.«
McCarron nickte. »Wissen Sie, ob er Feinde hatte?«
»Absolut keine«, sagte Tom. »Das habe ich mir auch schon überlegt.«
»Wissen Sie von irgendeinem Motiv, das ihn veranlaßt haben könnte, unterzutauchen oder einen anderen Namen anzunehmen?«
Vorsichtig sagte Tom und drehte dabei seinen schmerzenden Hals: » Möglicherweise . . . aber das ist in Europa beinahe unmöglich. Er hätte einen anderen Paß haben müssen. In welches Land er auch immer einreisen wollte, er hätte einen Paß haben müssen. Er hätte sogar einen Paß haben müssen, um auch nur ein Hotelzimmer zu bekommen.«
»Sie haben mir gesagt, daß er dafür auch vielleicht keinen Paß hätte haben müssen«, sagte Mr. Greenleaf.
»Ja, ich habe das von kleinen Hotels in Italien gesagt. Das ist eine ganz entfernte Möglichkeit, gewiß. Aber jetzt, nach dem ganzen Wirbel um sein Verschwinden, sehe ich nicht, wie er damit noch durchkommen könnte«, sagte Tom. »Irgend jemand hätte ihn doch inzwischen sicherlich verraten.«
»Nun, als er ging, hatte er seinen Paß ja anscheinend bei sich«, sagte McCarron, »denn er ist ja damit nach Sizilien gefahren und hat sich dort in einem großen Hotel eingetragen.«
»Ja«, sagte Tom.
McCarron machte wieder Notizen, dann sah er zu Tom auf. »Na, Mr. Ripley, wie sehen Sie die Sache?«
McCarron war bei weitem noch nicht zu Ende, dachte Tom. McCarron würde sich ihn noch unter vier Augen vornehmen, später. »Ich fürchte, ich muß mich der Meinung von Miss Sherwood anschließen, daß es ganz danach aussieht, als hätte er sich umgebracht und als hätte er das regelrecht vorbereitet. Ich habe das auch Mr. Greenleaf bereits gesagt.«
McCarron sah Mr. Greenleaf an, aber Mr. Greenleaf schwieg, blickte nur erwartungsvoll auf McCarron. Tom hatte das Gefühl, daß McCarron jetzt auch zu der Auffassung neigte, Dickie sei tot und es sei Zeit- und Geldverschwendung, daß er überhaupt hergekommen wäre.
»Ich wollte mich nur noch einmal dieser Fakten vergewissern«, sagte McCarron, er arbeitete also weiter, nun wandte er sich wieder seinen Papieren zu. »Zum letztenmal wurde Richard am fünfzehnten Februar gesehen, als er aus Palermo kommend in Neapel vom Schiff ging.«
»Richtig«, sagte Mr. Greenleaf. »Ein Steward erinnert sich daran, ihn gesehen zu haben.«
»Und dann keine Spur mehr von ihm, in keinem Hotel, und auch keine Nachricht.« McCarron blickte von Mr. Greenleaf auf Tom.
»Nein«, sagte Tom.
McCarron sah Marge an.
»Nein«, sagte Marge.
»Und wann haben Sie ihn zum letztenmal gesehen, Miss Sherwood?«
»Am dreiundzwanzigsten November, als er nach San Remo abfuhr«, kam die prompte Antwort.
»Sie waren damals in Mongibello?« fragte McCarron, er sprach den Namen mit einem harten »g« aus, so als besäße er keinerlei Italienischkenntnisse oder wenigstens kein Verhältnis zum gesprochenen Italienisch.
»Ja«, sagte Marge. »In Rom habe ich ihn im Februar um ein Haar verfehlt, aber zum letztenmal gesehen habe ich ihn in Mongibello.«
Gute alte Marge! Tom empfand beinahe Zärtlichkeit für sie - neben dem anderen allen. Heute morgen hatte er angefangen, Zärtlichkeit für sie zu empfinden, obwohl sie ihm auf die Nerven gegangen war. »Er hat sich in Rom sehr bemüht, allen Menschen aus dem Wege zu gehen«, warf Tom ein. »Und darum nahm ich zunächst auch an, als er mir die Ringe gab, er sei zur Zeit darauf aus, all seine derzeitigen Bekannten hinter sich zu lassen, in einer anderen Umgebung zu leben, einfach einmal für eine Weile zu verschwinden.«
»Und warum wollte er das Ihrer Meinung nach?«
Tom erklärte es sehr ausführlich, erwähnte die Ermordung seines Freundes Freddie Miles und deren Wirkung auf Dickie.
»Meinen Sie, Richard hat gewußt, wer Freddie Miles umgebracht hat?«
»Nein. Ich bin
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