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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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sie einen Wandschrank, der irgendein Geheimnis zu bergen versprach, – dies Versprechen war aber Täuschung und Betrug: der Schrank war leer. Der Mut schien ihnen nun voll und ganz wiedergekehrt, und eben waren sie im Begriff, hinunter und an die Arbeit zu gehen, als –
    »Sscht!« sagte Tom.
    »Was gibt's?« flüsterte Huck, vor Schreck erbleichend.
    »Sscht! Da! Hörst du?«
    »Ja! Oh, du meine Güte! Laß uns rennen!«
    »Still, halt dich ruhig und muckse dich nicht. Sie kommen grad auf die Tür los.«
    Die Jungen streckten sich auf dem Boden aus, spähten mit den Augen durch die Astlöcher in den Dielen und warteten zitternd vor verhaltener Furcht und Erregung.
    »Sie bleiben stehen – nein – sie kommen – da – da sind sie. Kein Wort mehr, Huck. Herrgott, wären wir doch mit heiler Haut aus der Patsche!«
    Zwei Männer traten ein. Jeder der Jungen sagte zu sich selber:
    »Der eine ist der alte, taubstumme Spanier, den man in der letzten Zeit ein- oder zweimal in der Stadt gesehen hat, – den anderen kenn ich nicht.«
    »Der andere« war ein zerlumpter, ungekämmter Kerl, dessen Gesicht nicht eben einnehmend war. Der Spanier war in seine »Serape« gehüllt, er hatte einen buschigen, weißen Schnauzbart; langes, weißes wehendes Haar stahl sich unter seinem breitrandigen Hute vor, dazu trug er grüne Augengläser. Als sie hereinkamen, redete eben »der andere« mit leiser Stimme auf ihn ein. Sie ließen sich auf dem Boden nieder, das Gesicht der Türe zugewandt und mit dem Rücken gegen die Mauer gelehnt. Der Sprechende fuhr in seinen Bemerkungen fort. Je länger er sprach, desto mehr verlor sich sein vorsichtiges Wesen und desto lauter wurden seine Worte.
    »Nein,« sagte er, »ich hab's mir überlegt, aber ich mag nicht, 's ist mir viel zu gefährlich.«
    »Gefährlich,« brummte der ›taubstumme‹ Spanier, zum größten Erstaunen der lauschenden Jungen, »Hasenfuß!«
    Diese Stimme ließ die Jungen voll Entsetzen erbeben und nach Atem ringen. Es war die Stimme des Indianer-Joe.
    Ein Schweigen folgte, dann sagte dieser:
    »Was gibt's wohl Gefährlicheres, als das letzte Stückchen, das ich dort drüben geliefert, – damit wies er mit dem Finger nach der Richtung der Stadt, – und ist da vielleicht was 'rausgekommen dabei?«
    »Das ist was anderes! Soweit flußaufwärts und kein anderes Haus in der Nähe! Wie soll überhaupt etwas 'rauskommen, wenn wir keinen Erfolg gehabt haben.«
    »Na, und was ist gefährlicher, als bei Tag hierherkommen? Ei jedem, der uns sähe, müßten wir doch verdächtig scheinen.«
    »Das weiß ich. Aber nach dem dummen Stückchen von neulich war kein Platz so gelegen. Ich muß weg aus der Bude hier! Hab's gestern schon gewollt, nur nutzte es nichts, da die verteufelten Jungens da oben beim alten Baum vor unserer Nase ihr Spiel trieben.«
    Die »verteufelten Jungens« erbebten bei dieser Bemerkung und beglückwünschten sich innerlich, daß sie sich des Freitags erinnert und beschlossen hatten, einen Tag zu warten. Wie wünschten sie jetzt, statt eines Tages, ein Jahr gewartet zu haben! Die zwei Männer kramten nun Nahrungsmittel aus und machten sich eine Mahlzeit zurecht. Nach einer langen, gedankenvollen Pause sagte der Indianer-Joe:
    »Will dir mal was sagen, Kamerad. Du machst dich wieder flußaufwärts, wo du hingehörst, und bleibst dort, bis du von mir Nachricht hast. Ich schleich mich noch mal in die Stadt, geh's wie's will, und halt Umschau. An das ›gefährliche Stückchen‹ gehen wir dann erst, wenn ich die Zeit dazu für gekommen halte. Dann auf und davon nach Texas!«
    Dieser Plan ließ sich hören und fand keinen Widerspruch, Die Männer begannen zu gähnen und Joe sagte:
    »Ich bin todmüde! An dir ist die Reihe zu wachen!«
    Er kauerte sich zusammen und begann alsbald zu schnarchen. Sein Kamerad stieß ihn ein paarmal an, worauf er stille ward. Alsbald begann der Wächter zu nicken, sein Kopf sank tiefer und tiefer, nun schnarchten beide Männer.
    Die Jungen holten tief und dankerfüllt Atem. Tom wisperte:
    »Jetzt gilt's, komm!«
    Huck erwiderte:
    »Ich kann nicht. Ich fiel geradeswegs tot hin, wenn sie aufwachen.«
    Tom trieb, Huck zögerte. Schließlich erhob sich Tom vorsichtig und leise und schickte sich an, allein sein Heil zu probieren. Beim ersten Schritt aber, den er vorwärts tat, krachte die alte, vermorschte Diele so laut und so drohend, daß er plötzlich halbtot vor Schreck wieder umsank. Einen zweiten Versuch wagte er nicht. So lagen denn

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