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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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läuten.
    »Scheiße …«
    Er packte es, drückte darauf herum, rief die letzte Nummer an, die auf dem Display erschien. Er kannte sie nicht.
    Die Stimme am anderen Ende der Leitung war prägnant, professionell. Eine Männerstimme. Die Stimme eines Polizisten.
    »Ja?«
    »Hier ist Tom Thorne. Sie haben gerade …«
    »Ach, richtig. Hier ist Detective Sergeant Jay von der Harrow Station. Ich bin an einem Tatort, ein Mord, und ich weiß, dass einige Ihrer Jungs bereits unterwegs sind. Aber ich dachte, ich könnte ebenso gut Sie anrufen, da mein Opfer Ihre Karte in seiner Tasche hat.«
    Thornes Gedanken überschlugen sich. »Wissen Sie bereits, um wen es sich handelt?« Er sah hinüber zu Palmer, der die Finger hinter seinem dicken Nacken verschränkt hatte, mit glasigem Blick mit dem Kopf wackelte.
    »Ja, war einfach«, antwortete Jay. »War alles in der Brieftasche, sehr praktisch. Der Kopf des armen Kerls wurde zu Brei geschlagen. Scheint an der Schule hier unterrichtet zu haben.«
    Die Erkenntnis war jäh und schmerzhaft. Etwas, das am falschen Platz war und klatschend und knirschend an Ort und Stelle rutschte. Wie ein Sarg, der von den Schultern der Sargträger glitt und auf den Betonweg krachte. Ohne besonderen Grund sah Thorne das lächelnde Gesicht des Englischlehrers vor sich, der ihm und Holland die Schule gezeigt hatte.
    »Cookson … Andrew, glaub ich …«
    »Was?«
    »Mittelgroß, dunkle Haare, Mitte dreißig.«
    »Tut mir Leid. Der Typ ist ein ganzes Stück älter …«
    Es knackte in der Leitung, aber Thorne hörte nur das entsetzliche Geräusch des Sarges, der auf den Boden krachte, den betäubenden Lärm des splitternden Holzes. Bevor Detective Sergeant Jay eine Gelegenheit hatte, den Namen des Toten auszusprechen, wusste Thorne, dass Ken Bowles Recht gehabt hatte, sich vor der Zukunft zu fürchten.
    Ihm erging es nun nicht anders.

Siebzehntes Kapitel
    Diesmal durfte Thorne nicht mal zu der Besprechung kommen …
    Es gibt Dutzende von Pubs in London, deren Vergangenheit alles andere als vornehm ist. Orte, an denen die Mischung aus Alkohol und Gewalt auf häufig berüchtigte Weise geschichtsträchtige Momente erschuf.
    Das »Ten Bells« in Spitalfields, das häufig »Jack the Ripper« genannt wurde. Wo der Täter angeblich selbst verkehrte und mehrere seiner Opfer ihrem Gewerbe nachgingen, wo man, hundert Jahre, nachdem fünf Prostituierte aus der Gegend innerhalb von drei Monaten hingeschlachtet worden waren, Jack-the-Ripper-Bücher, Tassen und Basketballmützen kaufen konnte und, was am bizarrsten war, mehrmals die Woche mittags Stripperinnen bei ihrer Arbeit zusehen konnte.
    Das »Blind Beggar« in Bethnal Green, wo, sofern man den Leuten Glauben schenken darf, mindestens hundert Ostlondoner sahen, wie George Cornell von Ronnie Kray niedergeschossen wurde, angeblich, weil er ihn eine »fette Schwuchtel« genannt hatte.
    Und die »Magdala Tavern« in Hampstead, wo Ruth Ellis ein abgeschmacktes Arschloch von Mann mit fünf Kugeln durchsiebte und dafür drei Monate später als letzte Frau in Großbritannien am Galgen endete. Die »Magdala Tavern«, in der Tom Thorne saß, an einem frühen Montagabend, sich an einem Bier festhielt und auf seinen Richterspruch wartete.
    Er hatte den Pub immer gemocht, er war ideal, um sich aufzuwärmen, nachdem man eine Stunde im Grünen herumgelaufen war und sich über die Dummheit erwachsener Männer gewundert hatte, die ihre Freizeit damit verbrachten, auf der Heath Drachen steigen zu lassen. Das Bier war gut, der Wirt einigermaßen freundlich und das Essen genießbar. Doch was Thorne anzog, was ihn fesselte, war die dunkle Geschichte des Hauses, die damit verbundenen Assoziationen. Er konnte nie widerstehen, den Finger in diese Einschusslöcher zu stecken, die noch immer draußen in der Wand zu sehen waren. Sie gaben ihm ein Gefühl der Verbundenheit. Jedes Mal drehte er sich um und sah sie vor sich.
    Das blondierte Haar, die blasse, gepuderte Haut straff über den perfekten Backenknochen, die langen Fingernägel auf der schweren Smith & Wesson. Achtundzwanzig Jahre alt und in der Sackgasse. Finger in Einschusslöchern – was spirituelle Momente anging, war es kaum vergleichbar damit, die Hände in die Wunden Christi zu legen, aber wenn man mittags kräftig zugelangt hatte …
    Ostersonntag, 10. April 1955. Ein Moment des Irrsinns, schicksalsträchtig, auf einem Bürgersteig in Hampstead: der erste Schritt einer Reise, die in der Hinrichtungszelle im Gefängnis von

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