Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Bromley: »Dieser Junge sollte im Gefängnis bleiben, zu seinem eigenen Besten. Sobald er rauskommt, findet ihn einer und bringt ihn um.«
Das war sein Lieblingsargument. Reden wir nicht darüber, unsere eigenen Dämonen in die Gesellschaft zu entlassen. Sagen wir nicht, dass wir es vorzögen, sie für den Rest ihres Lebens wegzusperren, weil wir uns dadurch etwas weniger schuldig fühlen, unsere Kinder nicht zu beschützen. Tun wir so, als ginge es uns um die Sicherheit dieser mordenden Mistkerle. Unbezahlbar.
Er wog die Argumente ab, wie immer, und am Ende hielt er es mit der Mehrheit in dieser umstrittenen Angelegenheit.
Der Mann sollte nie mehr freigelassen werden. Kinder umzubringen war böse.
Caroline war angenehmerweise früh ins Bett gegangen, und er hatte den Großteil des Abends für sich alleine, konnte hier sitzen und sich in Ruhe alles durch den Kopf gehen lassen, um sicherzustellen, dass er auch an alles gedacht hatte.
Er hatte in Betracht gezogen, die ganze Sache bleiben zu lassen, als Palmer entkam. Hatte überlegt, ob er nach ihm suchen und versuchen sollte, ihre kleine Partnerschaft neu zu beleben. Er war ihm nicht böse, weil er das letzte Mal eingeknickt war und sich gegen ihn gewandt hatte. So lief das bei Typen wie Martin. Die Angst ließ sich benutzen, ließ sich jedoch gelegentlich schwer im Voraus kalkulieren.
Nach längerer Überlegung beschloss er weiterzumachen.
Immer weiter, nie zurück. Palmer gehörte nun zu seiner Vergangenheit, sollte er doch zappeln und ertrinken. Seine Zukunft war weitaus aufregender. Allerdings war es schon witzig, wie Palmer entkommen war. Thorne war so arrogant. Thorne, der Idioten nicht ausstehen konnte. Jetzt hatte er es selbst ordentlich versiebt.
Jetzt war Thorne der Idiot.
Er schenkte sich noch ein Glas Wein ein. Ob es McEvoy wohl versiebte? Das würde nicht das Ende der Welt bedeuten – er wäre abgesichert –, doch es wäre eine Enttäuschung nach den vielen Mühen, die er investiert hatte. Alles in allem genommen fand er, dass er guten Grund hatte, optimistisch zu sein.
Letztlich war sie die perfekte Wahl.
Gleich als er sie das erste Mal getroffen hatte, war ihm etwas aufgefallen. Er hatte dieses tiefe Bedürfnis gesehen, und nicht nur das offensichtliche. Ihre Drogenabhängigkeit war ihm natürlich sofort ins Auge gesprungen: Das hatte er oft genug gesehen, als er auf der Straße lebte. Wahrscheinlich hatte ihn der Koks auf die Idee gebracht, doch er fand schnell heraus, dass McEvoys Bedürfnisse tiefer gingen.
Darum würden sie, sofern alles glatt lief, beide etwas daraus ziehen. Er würde sehr bald wissen, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Doch sollte nicht alles glatt laufen, hatte er bereits beschlossen, sie später ohnehin umzubringen.
Er beugte sich hinüber zum Radio und schaltete es aus. Irgendein Blödmann ließ sich darüber aus, dass es für diesen Jungen unmöglich wäre, seine wahre Identität geheim zu halten, selbst wenn er entlassen würde. Das Gleiche hatten sie über Venables und Thompson gesagt, die einsaßen, weil sie den kleinen Jamie Bulger entführt und umgebracht hatten. Sie würden jemand anders werden müssen, sie müssten ihre Vergangenheit vor jedermann verbergen. Sie müssten lügen, für alle Zeit, ihren Freunden und zukünftigen Ehepartnern gegenüber. Es sei unmöglich. Irgendjemand käme mit Sicherheit dahinter. Wie könne man seine Vergangenheit geheim halten?
Er schmunzelte. Er wusste, dass es möglich war.
Thorne drückte die Play- Taste auf dem Anrufbeantworter, und ein Tag, der beschissen endete, wurde noch beschissener.
»Hallo … Tom, hier ist Eileen. Tante Eileen, aus Brighton … ich hasse diese Dinger. Hör mal, wir müssen über deinen Dad reden. Ich hatte in letzter Zeit mehr Kontakt mit ihm, du weißt schon, seit Weihnachten, und, na ja … es hat keinen Zweck. Du wirst dich wohl kaum daran erinnern können, aber dein Großvater war genauso … zuletzt. Manchmal vergisst er etwas zu essen. Wie auch immer, ich hab keine Ruhe gegeben, und er hat gesagt, er würde zum Arzt gehen. Vermutlich werden sie ihn in die Klinik einweisen, du weißt schon, um entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Aber ruf trotzdem mal an, damit wir drüber reden können. Du solltest es ihm auch noch mal sagen, damit er den Termin auch einhält …«
Er drückte auf die Stopp- Taste und ging in die Küche, um den Wasserkessel aufzusetzen.
Er knallte die Tasse auf die Arbeitsfläche. Der Streit
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