Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Luft, schwang die Beine vom Bett, und das unverdaute Hühnchen stieß ihm auf.
»Inspector Thorne …?«
Er stand auf und ging langsam zum Schrank. Stieß die Tür auf und betrachtete sich in voller Größe in dem Spiegel auf der Türinnenseite.
»Lieber Gott …« Er hatte es nicht laut aussprechen wol len.
»Inspector Thorne …?«
Das geschwollene, entstellte Gesicht erwiderte seinen Blick und erinnerte ihn an seine eigentliche Rolle. Es stellte ihm höflich, aber bestimmt die Frage, was zum Teufel er hier machte.
»Ist alles in Ordnung, Inspector Thorne?«
Dann der Wutausbruch. Der genetisch bedingt sein musste.
»Reden Sie nicht mit mir. Nicht so, verstanden. Nicht Ist alles in Ordnung ? Nicht Tut mir Leid …«
»Ich wollte nicht …«
»Reden Sie mit mir wie ein Mörder.«
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Als Thorne ins Büro kam, fühlte er sich ausgebrannt und war überzeugt, dass wenig an diesem Tag passieren würde, um diese Leere zu füllen.
Der Schlaf nach dem Gespräch mit Martin Palmer war überraschend tief gewesen – eine willkommene Nebenwirkung des Schmerzmittels. Dieses Mal hatte das Vieh länger und heftiger unter der Tür gebuddelt. Dieses Mal war Karen McMahon nicht auf der anderen Seite erschienen, um Charlie Garner an die Hand zu nehmen.
Der vor ihm liegende Tag, da war Thorne sich sicher, würde angesichts des Ermittlungsstandes geradezu surreal werden.
Die Suche nach Palmer führte zu nichts.
Die Suche nach Nicklin führte rückwärts.
Wahrscheinlich würden Thorne und das Team heute feiern …
Eine Flasche oder zwei und ein Schulterklopfen oder drei, um das Ergebnis von gestern im Hotel zu begießen. Ein kleines Fest, das nur unterbrochen würde – gleich nach der Mittagspause, wie man ihm mitgeteilt hatte – von dem Treffen mit den Leuten vom Directorate of Professional Standards.
Ein Tag, an dem nichts los war. Ein Tag, an dem alles geregelt würde …
Tom Thorne war nicht der Einzige, der zur Arbeit erschien. Und im Kopf des Mannes, der einmal Stuart Nicklin gewesen war, tickte eine Zeitbombe.
Nach Thornes Einschätzung würde der Tag damit enden, dass es alle weiter krachen ließen. Nur eines hatte er nicht vorausgesehen: wie früh sie damit anfingen. Das Gerücht hatte schnell die Runde gemacht: ein kleiner Umtrunk mittags, um eine Sache zu feiern, die gut gelaufen war. Doch die Stimmung war noch nicht am Überschäumen. Nicht im Team 3, nicht bei dem Team, das mit den Hotelmorden beschäftigt war. Ein paar Pints mittags im Pub wären sicher willkommen, aber bestimmt nicht genug. Da war immer dieser Wunsch, dieses Bedürfnis, es ein Stück weiter auszureizen. Die erste Flasche Scotch war aufgetaucht, noch bevor die Tassen mit dem Frühstückskaffee oder -tee ausgetrunken waren.
Thorne und Brigstocke beobachteten von ihrem Büro aus, wie Papierbecher gefüllt und Geschichten über die Ereignisse der vergangenen Nacht, die durchgesickert waren, ausgeschmückt und weitererzählt wurden.
»Etwas früh, oder?«, fragte Thorne.
Brigstocke zog theatralisch die Augenbrauen hoch. »Meine Güte, Tom, geht’s Ihnen gut? Am Ende hat dieser Klatscher ins Gesicht mehr Schaden angerichtet, als wir dachten.«
Thorne sagte nichts. Er blickte hinaus, Holland war nirgends zu sehen. Er feierte nicht mit.
Brigstocke zuckte mit den Achseln. »Um die Wahrheit zu sagen, ich finde, das ist nötig. Solange es unter Kontrolle bleibt, ist es kein Problem. Solange niemand zu besoffen ist, wenn Jesmond auftaucht, um in den paar Strahlen Ruhm zu baden, die auf ihn fallen …«
Der Lärmpegel in der Einsatzzentrale sank. Es war klar, welcher Teil der Hotelzimmergeschichte nun zum Besten gegeben wurde.
»Heute Morgen habe ich als Erstes mit McEvoy gesprochen«, sagte Brigstocke.
»Wie war sie drauf?«
»Verschlafen. Verlegen wegen des Vorfalls. Meinte, es gehe ihr gut und sie könne kommen, aber ich hab ihr gesagt, sie solle sich bis zum Ende der Woche freinehmen. Was denken Sie?«
Thorne nickte; das hörte sich richtig an. »Sie muss sich um persönliche Dinge kümmern.«
»Mit Holland?«
Thorne war nicht überrascht, dass Brigstocke etwas bemerkt hatte – er hatte immer eine Nase für die zwischenmenschlichen Beziehungen in seinem Team. »Holland sagt Nein«, erwiderte Thorne.
»Es bedeutet nicht das Ende der Welt. Versetzen Sie einen der beiden nach Belgravia oder ins West End …«
»Dann McEvoy.«
»Probleme?«
»Nein, nicht wirklich.« Nicht wirklich. Nichts, was über
Weitere Kostenlose Bücher