Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Bildschirms blinkte. Was zum Teufel bildete sich McEvoy ein? Sie hatte wahrscheinlich noch fünfundzwanzig Minuten zu leben.
»Wo?«
Holland klickte mit der Maus, hackte auf der Tastatur herum. »Seine letzte E-Mail kam … kurz nach der von heute Morgen.« Er öffnete die Datei, und sie starrten auf die Worte des Mörders auf dem Bildschirm.
An dem Ort, wo Martin zum ersten Mal die Dschungelgeschichte hörte. Freu mich drauf, Sarah …
»Was zum Teufel hat das zu bedeuten?« Holland drückte mit dem Finger gegen den Bildschirm, so fest, als wolle er durch die Scheibe durch, die Worte auf der anderen Seite ausradieren.
»Was ist mit McEvoys letzter Mail?«
Holland rief sie auf. »Sie hat zwei abgeschickt, hintereinander, kurz vor heute Mittag …«
Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. Sollte ich es wissen? Wenn Sie mich sehen möchten, sollten Sie sich klarer ausdrücken.
»Schauen wir uns die zweite an.« Thorne wagte nicht zu hoffen. Er wusste, der Mörder hatte nicht geantwortet, nichts näher erklärt. Hatte McEvoy in ihrer letzten Mail abgesagt, ein neues Treffen vorgeschlagen? Ihr war ja gar nichts anderes übrig geblieben. Sie kannte den Ort nicht, den er vorgeschlagen hatte …
Gehe jetzt. Bin mir nicht sicher, wann ich zurückkomme. Muss wissen, wo wir uns treffen.
Dann sprangen ihn zwei Worte vom Bildschirm an, schnürten ihm die Kehle zu.
SMS reicht.
Holland verkrampfte sich. »Scheiße. Er hat ihr in einer SMS mitgeteilt, wo sie ihn treffen soll.«
»Wir wissen nicht, ob er überhaupt Kontakt mit ihr aufgenommen hat«, entgegnete Thorne. »Wir wissen überhaupt nichts. Sie könnte jeden Augenblick hier reinschneien, völlig doof gekokst.« An Hollands Blick konnte Thorne ablesen, dass er das genauso wenig glaubte wie er selbst.
Thorne schnappte sich das Telefon vom Schreibtisch und warf es Holland zu. »Rufen Sie sie auf dem Handy an.«
Er ging hinüber zum Fenster und schaute in den Garten hinaus. Wind kam auf. Er sah das lange nicht geschnittene Gras sanft schwanken und den hohen, rostigen Spiegel gegen den Zaunpfosten schlagen. Sah hinaus und hoffte, Hollands Besorgnis in Wut umschlagen zu hören, wenn er zu ihr durchkam. Scheiße, wo bist du! Stattdessen hörte er ihn lange und frustriert ausatmen und das Telefon auflegen. Und dann zwei Worte, auf die er hätte verzichten können: »Ist abgeschaltet …«
Thorne wandte sich um, ging zurück zum Schreibtisch und griff selbst nach dem Telefon. Er wählte, wartete und legte auf.
»Wen rufen Sie an?«
Thorne sagte nichts, nahm die Hand nicht vom Telefon. Er wählte noch einmal die Nummer. Er sah zur Seite und wartete auf eine Antwort …
»Ich bin’s. Erzählen Sie mir von der Dschungelgeschichte … nein, darum geht’s nicht. Sagen Sie es mir einfach! Hören Sie, Palmer, dafür haben wir keine Zeit, sagen Sie mir, was das ist. Nein … vergessen Sie’s, sagen Sie mir nur, wo. Wo war es …?«
Holland traute seinen Ohren nicht. Palmer! Welches Spiel spielte Thorne? Er hörte auf, sich den Kopf zu zerbrechen, als sich Thornes Gesichtsausdruck veränderte. Selbst die Blutergüsse schienen augenblicklich zu verblassen. Er dachte, dass dieses lange, leise Stöhnen von Thorne kam, es hätte jedoch genauso gut von ihm stammen können …
Thorne drückte auf die Aus-Taste. Rasch reichte er Holland den Hörer.
»In der Schule. Er trifft sie in der King Edward’s.«
»Wohin …«
Thorne war auf dem Weg zur Tür, seine Stimme wurde lauter, je weiter er sich entfernte. »Hängen Sie sich ans Telefon und organisieren Sie alles, sofort. Sagen Sie Brigstocke, ich möchte eine bewaffnete Einsatztruppe. Versuchen Sie weiter, McEvoy auf dem Handy zu erreichen. Oder setzen Sie jemand anderen darauf an.«
»Sir …«
Thorne brüllte inzwischen.
»Und benachrichtigen Sie die Schule …«
Achtundzwanzigstes Kapitel
McEvoy betrat den Schulhof in Zeitlupe.
Stopp. Du musst zurück. Raus hier, auf dem Weg, auf dem du gekommen bist. Nur er wird es je erfahren, dass du gekniffen hast. Du brauchst nichts zu beweisen, Sarah …
Es war diese merkwürdige Zeit zwischen Dunkel und Hell, diese halbe Stunde, die sich nicht entscheiden kann. McEvoy bahnte sich ihren Weg, hatte dabei das Gefühl, durch eine klebrige, heimtückische Flüssigkeit zu waten.
Überall Erwachsene und Kinder. Die sich unfassbar schnell bewegten. Ihre Stimmen durchbohrten sie, ließen ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Das Kreischen
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