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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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gefehlt, dieses Gefühl der Erregung, dass jeden Augenblick etwas Unvorhergesehenes passieren konnte. Und seine Freude war groß, als Stuart, als sie wieder gemeinsam herumhingen, ihm erzählte, dass er dies ebenfalls vermisst hätte. Außerdem fühlte er sich in Karens Gegenwart wohler, wenn Stuart nicht weit weg war.
    Karen war älter als er, eher in Stuarts Alter, doch Stuart konnte sie nicht so zum Lachen bringen wie er. Das hatte immer nur er geschafft, seit dem Tag, als sie durch das Loch im Zaun gekrochen war und die Sache mit dem Frosch gesehen hatte. Es gab Zeiten, da flüsterten die beiden miteinander, rauchten eine Zigarette oder liefen vor ihm auf dem Weg entlang der Bahngleise, sodass er das Gefühl bekam zu stören. Dann blieb Karen stehen, um ihn auf eine ganz bestimmte Weise anzulächeln und ihn zu bitten, doch eine Grimasse zu ziehen oder mit einer komischen Stimme zu sprechen, etwas in der Richtung, und dann dauerte es in der Regel nicht lange, bis er sie so weit hatte, dass sie sich vor Lachen bog. Gelegentlich hatte er den Verdacht, sie necke ihn womöglich ein bisschen, aber das störte ihn nicht wirklich. Es war offensichtlich, wie wichtig er ihr und Stuart war. Drei Freunde, die für immer zusammenblieben, so sah er sie. Das hohe Gras des Bahndamms verwandelte sich in einen gepflegten Collegerasen und den Garten eines der herrschaftlichen Häuser, die sie ihr eigen nannten … und schließlich in diese weite Parklandschaft, wohin ihn seine Mum einst mitgenommen hatte und wo sie eines Tages zu dritt auf einer Bank sitzen würden, mit ihren Hunden und vielleicht ihren Kindern .
    Nichts wusste Palmer mit seinen gerade vierzehn Jahren so sicher, als dass er verliebt war.
    Karen stand auf und blickte sich ein paar Sekunden um, bevor sie den Bahndamm halb hinunterrannte, halb hinunterstürzte. Sie tat, als stieße sie mit Nicklin zusammen und fürchte sich vor ihm. In letzter Minute sprang sie auf ihn zu, und Nicklin taumelte johlend und lachend zurück, als er sie auffing, wobei er eine Hand auf ihren Hintern legte.
    Auch Palmer lachte und verscheuchte wedelnd den Mückenschwarm, folgte den beiden, als sie sich eine Zigarette anzündeten und langsam zu den verrußten, verfallenen Bahngebäuden schlenderten.
    Sobald sie in dem Hauptgebäude waren – einem schon lange nicht mehr genutzten Geräteschuppen –, blickten sie sich routinemäßig nach Anzeichen fremder Nutzer um. Manchmal schliefen hier Obdachlose. Es roch noch immer nach Pisse und abgestandenem Bier. Schon öfters hatten sie Überreste eines Feuers entdeckt und leere Dosen und Spritzen, einmal sogar ein benutztes Kondom, das Nicklin aufgehoben hatte, um Karen damit eine Weile herumzujagen. Heute wirkte der Schuppen noch verlassener als sonst. Das übliche Kroppzeug. Ein Berg Zigarettenkippen, ein paar alte Zeitungen, ein feuchter, verschimmelter Teppich, der einmal einem Penner als Bett gedient hatte.
    Riesige Schmeißfliegen brummten um sie herum, als Palmer mit Steinen auf die letzten Scherben in den verfaulenden Fensterrahmen zielte. Nicklin drückte seine Zigarette aus und blickte sich suchend um, nach irgendetwas, das ihm einen Kick geben könnte. Und Karen lief herum und sang die letzte Duran-Duran-Single mit ihrer hellen, hohen Stimme, die von den versifften Spritzbelagwänden zurückgeworfen wurde.
    »Gehen wir, scheiß auf das hier.« Nicklin trat gegen eine leere Flasche. Sie schlitterte über den Betonboden und zerbarst an der gegenüberliegenden Wand.
    Palmer johlte. »Wir könnten ein Feuer legen oder »Scheißen wir einen Haufen hier rein«, sagte Karen mit einem Blick auf Nicklin, ihn ignorierte sie. Sie fing an zu lachen, und Palmer wandte sich errötend ab. Er hasste es, wenn sie so daherredete. Manchmal hockte sie sich dazu ins hohe Gras, was er nicht ausstehen konnte.
    »Langweilig«, sagte Nicklin. »Außerdem gab’s mittags Eier. Ich brächte nichts raus, selbst wenn ich wollte.« Er zündete sich erneut eine Zigarette aus seiner Zehnerpackung Silk Cut an. Karen fingerte aus der Brusttasche ihrer Jeansjacke eine lose Zigarette heraus und ging zu ihm hinüber. Sie nahm Nicklin die Zigarette aus dem Mund, um sich damit ihre anzuzünden.
    Als sich Palmer umdrehte, waren Karen und Nicklin verschwunden. Einen Augenblick hatte er Angst, doch dann hörte er sie draußen miteinander flüstern. Er sah durch das zerbrochene Fenster hinaus auf den Bahndamm gegenüber. Oben war eine Siedlung zu sehen, dort wohnte Stuart. Und er

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