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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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dem Ding, das sich oben auf der Hayward Gallery bewegte und aufleuchtete. Jemand hatte ihm erklärt, die Farben änderten sich mit dem Wind. Kunst, angeblich. Eher Wichserei …
    Über der Waterloo Bridge stand der Vollmond. Auf der Brücke selbst liefen Leute, langsam, nach links und rechts schauend, den bewundernden Blick flussauf- und -abwärts gerichtet. Blöde Säcke. Den besten Blick auf London hatte man nicht von da oben. London, das war hier unten, wo er war, inmitten der Junkies und der Hundescheiße. Diese Stadt wurde umso lebendiger, je tiefer man hinabstieg und je mehr man begann, darin aufzugehen.
    Martin und Karen …
    Er sah sie vor sich, in diesem rußigen Schuppen bei den Gleisen, im Park oder im Einkaufszentrum oder wie sie in dunklen Unterführungen hinter ihm herliefen, sich ständig umblickend. Wie Martins riesige Hände vor Angst flatterten, er mal beruhigt, mal angestachelt werden musste. Karen, wie sie über ihn lachte, weil er so ungelenk war und sich vor allem und jedem fürchtete.
    Nicklin schlief ein und träumte davon, den beiden in den Arsch zu treten.

Sechstes Kapitel
    Baynham & Smout war eine große Steuerberatungsfirma, deren glasverkleidete Straßenfront auf der Shaftesbury Avenue direkt an die von Filmfirmen und Verlagshäusern angrenzte, einen Steinwurf entfernt von Chinatown und Soho. Ein fantastischer Arbeitsplatz, falls ein Angestellter, nachdem er sich einen Vormittag lang mit Zahlen herumgequält hatte, mittags Lust auf süßsaure Suppe und eine schnelle Nummer bekam.
    Thorne saß auf einem riesigen schwarzen Ledersofa und bewunderte die Kunst an den enormen weißen Wänden, die unterkühlt zurückhaltend, aber vom Feinsten war. Er sah zu Holland im Sessel gegenüber, der das Hochglanzmagazin durchblätterte, das er sich von der Glasplatte des Couchtischs geschnappt hatte. Wie viel es wohl gekostet hatte, diese Empfangshalle auszustaffieren? Sicher ein Vielfaches seiner gesamten Wohnungseinrichtung. Vermutlich mehr, als seine Wohnung gekostet hatte …
    Seine Augen trafen sich mit denen einer der beiden umwerfenden jungen Empfangsdamen an den Walnusstischen auf der anderen Seite der Lobby. Sie lächelte. »Dauert nicht mehr lange.« Als die Worte von dem Marmor und dem Glas zurückgeworfen wurden, blickte auch ihre Kollegin auf und lächelte.
    Thorne nickte. Eine von den beiden war erst seit fünf Monaten hier …
    Er schloss die Augen und sah eines der Fotos aus seiner ständig größer werdenden Galerie vor sich. Die junge Frau lag auf der Seite, den rechten Arm unter sich und den linken hoch über dem Kopf, wie ein Schulmädchen, das um die Aufmerksamkeit des Lehrers kämpft. Ein hochhackiger Schuh fehlte, er lag ein paar Meter entfernt in einem Brennnesselgestrüpp. Auf ihrem dünnen Sommerrock glitzerte der Tau. Sie war gelblich weiß, wie der Knochen eines riesigen Köters, abgenagt und achtlos liegen gelassen. Ihre Kleidung hing an ihr wie Fleischfetzen, ihre Haare waren so bleich wie Knorpel. Der einzige Farbfleck – das Blut, das aus der Wunde in ihrer Brust geflossen und über Nacht zu der Farbe alten Fleisches getrocknet war.
    Thornes Blick wanderte zu den zwei jungen Frauen, die eifrig an ihrem Computer zugange waren, wenn sie nicht gerade die ständig läutenden Telefone bedienten. Welche der beiden wohl Jane Lovell ersetzt hatte?
    »Sean Bracher … entschuldigen Sie bitte.«
    Thorne sah sich einem schicken Anzug gegenüber, einer ausgestreckten Hand und einem mit viel zu vielen Zähnen voll gepackten Mund. Holland war bereits auf den Beinen, und Thorne tat es ihm gleich. Er griff nach seiner abgetragenen Lederjacke und machte sich auf, Bracher in sein Büro zu folgen. Doch der stellvertretende Personalchef von Baynham & Smout wollte dieses Gespräch mit der Polizei gleich hier in der Empfangshalle erledigen. Er ließ sich in einen der Sessel fallen, legte sein Handy auf den Couchtisch und rief hinüber zur Rezeption: »Jo, eine Kanne Kaffee wäre nett …«
    Bracher war Mitte dreißig und hatte bereits eine beginnende Glatze – sehr zu seinem Missfallen, wie Thorne vermutete. Offensichtlich der typische Junge aus kleinen Verhältnissen, der es geschafft hatte und bei Bedarf ein antrainiertes Savoir-vivre an den Tag legen konnte. Bei Thorne und Holland fand er augenscheinlich die kumpelhafte Tour am angebrachtesten: verschluckte Endungen, Lachen, Anspielungen. Einer von den Jungs.
    Der Kaffee kam sogleich, und Bracher sagte seinen Spruch auf.
    »Ich kann Ihnen

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