Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
einfache Sache …« Sie blickte auf, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Das zu erwidern Thorne nicht schaffte. »Alles, was ich Ihnen überhaupt mit Sicherheit sagen kann, ist, dass keine der Pflegeeltern, bei denen sie untergebracht waren, heute noch als aktiv bei uns registriert sind.«
Holland zuckte mit den Schultern. »Das wär wohl auch zu schön gewesen …«
»Richtig«, fügte Thorne hinzu, der dies nichtsdestotrotz insgeheim gehofft hatte.
»Wir reden von einem Zeitraum von über fünfundzwanzig Jahren«, sagte Lesser. »Es ist möglich, dass die Leute, bei denen sie untergebracht waren, noch als Pflegeeltern aktiv und nur woandershin gezogen sind.«
»Wie lässt sich das überprüfen?«, fragte Thorne.
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Es ist ohnehin eher unwahrscheinlich. Ich habe nur laut gedacht …«
Thorne spürte, wie sein Kopf zu schmerzen begann. Er rutschte mit seinem Stuhl näher an den Schreibtisch heran und deutete auf den Ventilator. »Entschuldigen Sie, aber könnten wir …?«
Sie beugte sich vor und schaltete den Ventilator aus.
»Danke«, sagte Thorne. »Wir versuchen, das hier so schnell wie möglich zu erledigen. Warum sprachen Sie vorhin davon, das sei das Einzige, was Sie überhaupt mit Si cherheit sagen könnten?«
»Weil die einzigen Unterlagen, auf die ich hier Zugriff habe, aktuell sind. Also Unterlagen über aktuelle Pflegeeltern.«
»Das ist das, was Sie im Computer haben?«
Sie schnaubte. »Erst vor zehn Jahren hat man hier angefangen, die Daten per Schreibmaschine zu erfassen, und selbst jetzt haben wir noch jede Menge Handschriftliches. Nicht nur das Gebäude ist von vorgestern …«
Thorne blinzelte langsam. Er hatte aber auch wirklich Glück, dass er auf die Hilfe eines Amtes angewiesen war, dessen Organisation noch katastrophaler war als die, mit der er tagtäglich zu tun hatte.
»Aber es gibt doch sicher Unterlagen in der einen oder anderen Form, die noch weiter zurückreichen …‹
»In der einen oder anderen Form, davon gehe ich aus. Gott weiß, in welchem Zustand die sich befinden, wenn Sie sie in die Hände bekommen. Ein paar voll gekritzelte Seiten, die beinahe dreißig Jahre alt sind. Moment, einige müssten auf Mikrofiche vorhanden sein …«
Thorne versuchte, nicht zu ungeduldig zu klingen. »Aber es gibt Unterlagen?«
»Ausgemusterte Akten …«
»Ja, und diese ausgemusterten Akten, die die Unterlagen aus den Siebzigerjahren enthalten müssten, sind irgendwo gelagert?«
»Ja, sie müssten in Chelmsford sein, im Bezirksamt. Wir sind verpflichtet, sie aufzubewahren.«
Holland murmelte: »Datenschutzgesetz …«
»Genau. Jeder, der mit uns zu tun hatte, hat das Recht, seine Akten einzusehen. Manche warten Jahre damit. Sie kommen wieder, wenn sie vierzig, fünfzig sind, und wollen plötzlich Details über die Leute wissen, die ihre Pflegeeltern waren.«
»Warum warten sie so lange?«, fragte Holland.
»Vielleicht können sie es erst schätzen, wenn sie Abstand haben. Für die Kinder ist das nicht selten traumatisch …«
Thorne dachte an Mark und Sarah Foley. Nichts, was sie als Pflegekinder durchmachten, könnte traumatischer sein als das, was sie zuvor erlebt hatten. »Was sagen Sie ihnen?«, fragte er. »Den Leuten, die nach ihren Pflegeeltern suchen.«
»Viel Glück.« Sie lehnte sich zurück und lüftete mit Daumen und Zeigefinger den Stoff ihrer Bluse, der an ihrer Haut klebte. »Wir haben die Unterlagen, aber ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wo sie stecken. Wie ich Ihnen bereits erklärte, sollten sie eigentlich drüben im Bezirksamt sein, aber sie tatsächlich in die Finger zu bekommen, ist was anderes.«
Joanne Lesser lächelte ein Da-lässt-sich-nichts-machen-Lächeln, und Thorne dachte an eine ähnliche Situation: als er und Holland in Tracy Lenahans Büro im Derby-Gefängnis saßen. Das schien eine Ewigkeit her. Ein paar Morde früher …
Thorne ließ den Kopf auf den Schultern kreisen. »Ich weiß, wir reden über Dinge, die ewig lange zurückliegen, und Sie haben ja keinen Hehl daraus gemacht, dass das System weit davon entfernt ist, fehlerlos zu sein. Aber es gibt doch sicher so etwas wie ein Zentralarchiv …«
»Tut mir Leid, ich dachte, ich hätte das bereits erklärt. Wir haben hier nur die aktuellen Akten. Bei jedem Umzug bleiben die toten Akten zurück. Theoretisch sollten diese, wie Sie sagten, zurück ins Bezirksamt gebracht und dort aufbewahrt werden. In der Realität wird dieser alte Kram in
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