Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
kaufen. Der für letzte Woche geplante Einkaufsbummel war aus offensichtlichen Gründen abgesagt worden. Er hatte mit Eve darüber gewitzelt, dass sich Einbrecher und Mörder verschwören würden, sie vom Vögeln abzuhalten. Aber eigentlich kam ihm dieser Aufschub … gelegen. Zwei Seelen wohnten in seiner Brust, und die hässlichere von beiden sorgte sich – was er sich nur ungern eingestand –, wie sehr er wirklich noch an Eve interessiert wäre, sobald er sie erst einmal im Bett gehabt hätte. Aber das war nicht wirklich das Problem. Am Abend war er einfach zu nichts mehr zu gebrauchen …
Aus seinen brandneuen Lautsprechern drang Johnny Cashs traurige Stimme, der seine großartige Version von Springsteens »Highway Petrolman« sang. Als Cash darüber sang, dass nichts besser wäre als »blood on blood«, schoss Thorne durch den Kopf, dass, wenn es denn überhaupt eine Stimme gab, die die Liebe und die Verzweiflung, den Hass und die Freude von familiären Beziehungen wiedergeben konnte, es die seine war. Es half natürlich, wenn man es aus eigener Erfahrung kannte.
Auf dem Boden maunzte die Katze und wollte hochgenommen werden. Thorne bückte sich, stellte seine Dose auf dem Teppich ab und zog sie auf seinen Schoß.
Familien, immer wieder waren es die Familien …
Er dachte über Mark und Sarah Foley nach, deren Familie vor ihren Augen vernichtet wurde, die nur einander hatten. Eine Generation später, und sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Dafür konnte es nur einen Grund geben: Sie wollten es so.
Mark Foley, jetzt ein Mann Mitte dreißig, war damals ein zu Tode verängstigter kleiner Junge gewesen, der eine Therapie brauchte. Hatte sich dieses Entsetzen, als er älter wurde, in Hass verwandelt und weiter in ihm geschwelt? Hatte er zwanzig Jahre gewartet und dann den Mann umgebracht, der seine Mutter vergewaltigt hatte, den Mann, der seiner Meinung nach verantwortlich war für ihren Tod und den Selbstmord seines Vaters? Wann war der Funke dazu übergesprungen, sich an Vergewaltiger, die damit nicht das Geringste zu tun hatten, heranzumachen, um diese zu ermorden?
Irgendwie war Thorne stets bewusst gewesen, dass Vergewaltigung der Schlüssel zu dem Fall war. Hatte er nicht versucht, das Hendricks zu erklären? Bei den Morden an Remfry und Welch, und nun an Howard Southern, war die Vergewaltigung stets ein bedeutsames Element gewesen. Bedeutsamer als die Morde selbst. Jetzt wusste Thorne, warum. Selbst wenn er es noch nicht ganz verstanden hatte, hatte er zumindest begriffen, dass eine Geschichte dahinter steckte …
Und dazu diese Ambivalenz, die viele Ermittler bei diesem Fall empfanden. Ein drittes Opfer und wieder ein verurteilter Vergewaltiger. Sicher, der hier war älter und länger entlassen, aber dennoch ein Sexualstraftäter. Einer, um den nur sehr wenige zu trauern schienen, und schon gar nicht die, die seinen Mörder jagten.
Und dazu diese Ambivalenz, selbst bei ihm, wenn er ehrlich war …
»Ich glaub, wer immer Remfry umgebracht hat, hat uns allen einen Gefallen getan …«
»Da draußen werden Leute fragen, ob wir nicht dankbar sein sollten …«
»Es ist ja nicht so, als ob er nette alte Ladys umbringt, oder?«
Thorne fiel es schwer, diesen Gefühlen etwas entgegenzusetzen, aber nachdem er sein gesamtes Erwachsenenleben zwar nicht unbedingt damit verbracht hatte, Mörder zu jagen, so doch zumindest damit, daran zu glauben, dass das, was sie taten, falsch war, musste er versuchen, sich da nicht hineinziehen zu lassen.
Bei manchen Fällen war es einfach. Den Mörder hassen, das Opfer lieben. Nie würde Thorne die Monate vergessen, die er damit verbracht hatte, einen Mann zu fassen, der Frauen tötete, während er eigentlich versuchte, sie ins Koma zu versetzen, lebendige Tote aus ihnen zu machen. Oder sein letzter großer Fall: zwei Mörder zu schnappen, von denen einer ein manipulativer Psychopath war und der andere tötete, weil man es ihm auftrug …
Dann gab es die Fälle, die nicht ganz so einfach waren, wo die Sympathien sich nicht so leicht auseinander dividieren ließen: die Frau, die ihren Mann umbrachte, der sie jahrelang schikaniert hatte; der Einbrecher, der von seinen Kumpels kaltgemacht wurde, weil er sie verpfiffen hatte; der Drogendealer, der von einem Rivalen aufgeschlitzt wurde …
Und dann gab es diesen Fall.
Als Thorne die Beine auf den Boden schwang und aufstand, hüpfte Elvis hinunter und trollte sich knurrend in die Küche. Thorne folgte ihr. Er leerte
Weitere Kostenlose Bücher