Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
berührte, hatte er eine Anspannung gespürt. Eine plötzliche Reserviertheit, die nicht ganz zu dem Bild passte, das ihm bisher vermittelt worden war. Von ihr war die Initiative ausgegangen, sie hatte die schmutzigen Witze über das Bett gerissen und wie scharf sie darauf sei. Jetzt, im letzten Moment, entpuppte sie sich als doch nicht ganz so forsch, wie sie vorgegeben hatte.
Thorne spürte, wie eine Barriere hochging. Sie war fragil und kurz davor, in sich zusammenzufallen, und unheimlich sexy …
Sie wollte, dass er den aktiven Part übernahm. Als sehne sie sich danach, sich ihm hinzugeben, sich selbst hinzugeben, brauche aber etwas Hilfe. Thorne war extrem erregt. Er spürte, was ihn womöglich erwartete, falls sie sich gestattete, diese Grenze zu überschreiten. Dazu wollte er sie verführen, mehr als alles andere …
»Du bist so umwerfend«, flüsterte er und legte den Mund auf ihren.
Wie auf Kommando begann im Zimmer nebenan der Song, der Thorne so perfekt erschienen war. Die Geschichte von dem Mann, dessen Liebe zu einer Frau erst an dem Tag endete, als sie ihn im Sarg durch die Haustür trugen. Thorne genoss die sonore Stimme von George Jones, während er Eves Körper liebkoste.
Da war noch ein anderes Geräusch. Die Schlafzimmertür ging auf, strich über den Teppichboden. Ein Geräusch, das ihn oft störte in den frühen Morgenstunden und auf das er ganz besonders in dieser Nacht liebend gern verzichtet hätte.
Thorne hielt inne und lächelte Eve an, wartete auf den unwillkommenen Satz der Katze auf das Bettende …
Holland nahm die Romford Road bis nach Forest Gate und bog dann nach Wanstead Fiats ab. Eine Londoner Gegend, die er nicht allzu gut kannte. Mit einer Hand am Lenkrad und der anderen am Stadtplan suchte er sich seinen Weg, während er fuhr.
Er hatte Sophie angerufen, gleich nachdem er Irene Nobles Haus verlassen hatte, um ihr zu erklären, warum er nicht nach Hause gekommen war. Er hatte ihr erzählt, etwas Wichtiges habe sich ergeben, froh, dass es sich dabei nicht um eine Lüge mehr handelte. Sie hatte ihm erzählt, sie sei müde und wolle früh ins Bett, aber ihrer Stimme entnahm er, dass sie nicht sonderlich erbaut war. Es gelang ihm noch, ihr zu sagen, dass er sie liebe, bevor sie auflegte.
Holland versuchte, Thorne zu erreichen. Es war noch immer belegt. Er wählte noch einmal die Handynummer und legte auf, als er Thornes Bandansage hörte …
Er fuhr achtzig auf der langen, geraden Straße durch Hackney Marshes. Noch so eine Gegend in diesem unbekannten Teil der Stadt, der auf dem Plan grün dargestellt war, aber nach Einbruch der Dunkelheit keineswegs einladend wirkte. Er würde sich wohler fühlen, sobald er die A107 bei Clapton erreicht hatte. Er konnte sie am Ende der Seite sehen, nur einen Fingerbreit entfernt von seinem jetzigen Standort. Ab da war es eine ziemlich gerade Linie hinauf nach Stamford Hill und weiter zur Seven Sisters Road. Zehn Minuten weiter, an Finsbury Park vorbei und über die Holloway Road, und er wäre bei Thorne.
Wieder dachte er daran, das Naheliegende zu tun und Brigstocke anzurufen. Wahrscheinlich war es das Richtige, aber seine Loyalität galt wie immer zuerst Thorne. Eine amerikanische Polizeiserie fiel ihm ein, die er sich mit Sophie einmal angesehen hatte, vielleicht NYPD Blue oder Homicide. Ein Polizist sprach davon, seinem Partner wegen eines Vorfalls einen »Warnschuss« zu geben, als er diesen eigentlich nach oben hätte weitermelden müssen. Thorne war natürlich nicht sein Partner, aber es gab ziemlich genau wieder, wie Holland die Situation empfand.
Thorne wäre dankbar für einen Warnschuss …
Da er sich nun wieder besser auskannte, legte er den Plan auf den Beifahrersitz und wählte noch einmal den Anschluss in Thornes Wohnung. Er hörte das monotone Piepen des Besetztzeichens und wunderte sich, warum nicht die übliche nervige Nachricht kam, der Anschluss sei besetzt.
Holland konnte sich vorstellen, mit wem Thorne telefonierte. Er erinnerte sich an den Abend im Royal Oak, als Thorne von sich und seinem Vater erzählte und von ihren »Fünfundvierzig-Minuten-Gesprächen über Gott und die Scheißwelt«. Heute war es wohl die Scheißwelt und ein Sieg der Spurs im Saisoneröffnungsspiel. Holland konnte sich Thorne vorstellen, auf dem Sofa, ein aufgerissenes Dosenbier neben sich, wie er verzweifelt versuchte, seinen alten Herrn zum Auflegen zu bewegen, damit sie sich beide in Ruhe die Tore im Fernsehen ansehen konnten.
Zwei
Weitere Kostenlose Bücher