Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
Tage nach seinem Tod hing Dodds Leiche steif und still. Nur das Rattern der U-Bahn-Züge, die unter ihnen auf der Bakerloo-Linie vorbeifuhren, führte zu einem leisen Zittern, einem leichten Schaukeln des Leichnams …
Thorne musste jedes Mal gegen das bizarre Bedürfnis ankämpfen, die Leiche daran zu hindern. Hinüberzugehen und sie an den Beinen festzuhalten, die wie aufgedunsene Blutwürste aus den dreckigen Shorts quollen. Die bläulichen Füße zu packen, in die sich die Riemen der Plastiksandalen schnitten.
Thorne hatte in der Mitte des Studios gestanden und sich an die zwei blassen Mädchen erinnert, die sich auf den Nylonlaken gerekelt hatten.
Er hatte zugesehen, wie ein Mann von der Spurensicherung sich über die Matratze beugte und an dem – was immer es war – herumkratzte, was von der darüber baumelnden Leiche getropft war.
Er hatte hinaufgesehen zu der Zunge, die aus Dodds Mund hing. Blau und so groß wie eine Männerhand. Und ihm sagte, er solle sich verpissen.
Sobald Dodds Leiche weggebracht worden war, war Thorne nur zu glücklich, ihrer scheinbaren Aufforderung von vorhin nachzukommen. Nach Hause zu gehen, um sich umzuziehen, und sich etwas zu essen zu besorgen, das er nicht hinunterbrachte. Vier Stunden nicht zu schlafen und zurück an den Tatort zu eilen.
Die junge Frau gegenüber hatte gerade den letzten Bissen von ihrem Sandwich hinuntergeschlungen. Und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, bevor sie hinter der Kasse nach ihrer Handtasche griff. Achselzuckend warf sie Thorne einen Blick zu und zog ihren Lippenstift nach.
Thorne hörte die Tür und drehte sich um. Holland kam heraus. Er lief hinüber zu Thorne, öffnete dabei seinen Overall und pumpte sich mit der frischen Luft voll.
»Mann, ist es da drin heiß.«
Thorne reichte Holland die Wasserflasche. »Wie lange noch?«
»Fast fertig, denk ich.«
Holland stand neben Thorne an das Schaufenster des Fischladens gelehnt. Sie sahen zu der Peepshow und dem Straßencafé. Ein Kellner lächelte herüber. Sie hätten Freunde sein können, die das schöne Wetter genossen. Ihr Plastikanzug war keineswegs die exotischste Aufmachung, die hier zu sehen war.
»Also räumt er anscheinend hinter sich auf«, sagte Holland. »Er bringt Dodd um, um sicherzugehen, dass er nichts ausplaudert.«
»Vielleicht …«
Holland drehte sich um, drückte die Handflächen gegen das bereits auf Fingerabdrücke hin untersuchte Schaufenster. Der Fischhändler hatte sehr wenig Zeit gehabt, seine Waren in den Kühlraum zu bringen, und gar keine Zeit, seinen Laden danach sauber zu machen. Holland betrachtete das rosa Gewirr von Blut und Fischeingeweiden, das oben auf dem Wasser in einer flachen Metallschüssel schwamm. »Er wusste, dass Sie das hier kapieren würden.« Er deutete mit dem Kinn auf die Auslage. Die Fliegen brummten an der Glasscheibe, an den verstreut herumliegenden Fischabfällen. »Dass Ihnen aufgeht, was das Foto bedeutet.«
Thorne nickte. »Oh ja, er wusste, dass ich hier war.« Holland musterte ihn aus dem Augenwinkel und zog eine Braue hoch. »Jetzt bloß nicht aufregen. Klar, er hätte mir gefolgt sein können. Oder es könnte sich um Trevor Jesmond handeln, der Teufelsstimmen hört. Aber wahrscheinlich gibt es eine einfachere Erklärung.« Holland wandte sich um, hörte ihm aufmerksam zu. »Ich glaube, Sie hatten Recht. Dodd wurde umgebracht wegen dem, was er uns hätte erzählen können. Und weil er damit drohte.«
»Dodd versuchte, den Mörder zu erpressen?«
Thorne verschränkte die Arme. »Nur war sich dieser Idiot nicht darüber im Klaren, dass er es mit einem Mörder zu tun hatte. Natürlich kann ich das nicht beweisen …«
»Klingt plausibel«, meinte Holland.
»Selbstverständlich hat Dodd gelogen. Dieser Quatsch, von wegen der Mörder hätte den Motorradhelm nicht abgenommen. Es gäbe keine Unterlagen. Ich hätte ihm das niemals durchgehen lassen dürfen
»Sie konnten es nicht wissen.«
»Doch, ich hätte es wissen müssen. Wenn Wichser wie Dodd den Mund aufmachen, lügen sie. Er wusste nicht, hinter wem wir her waren, oder warum, aber das spielte keine Rolle. Falls so einer glaubt, ich sei hinter einem her, der seine Rundfunkgebühren nicht bezahlt hat, dann lügt er, bis sich die Balken biegen, solange er eine Möglichkeit sieht, Geld rauszuschlagen.«
Sie sahen zu, wie ein Mann mittleren Alters an der Peepshow-Kasse bezahlte und hineinhuschte. Das Mädchen fing Thornes Blick auf, legte den Daumen an die
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