Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
über solche Mörder reden, verwenden sie stets Ausdrücke wie ›organisiert‹ und ›desorganisiert‹«, sagte Thorne. »Zwei grundlegende Kategorien. Die einen planen sorgfältig, folgen bei den Morden einem beinahe ritualisierten Ablauf und achten darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Die anderen folgen nur ihrem Instinkt, können nicht wirklich steuern, was sie tun …«
»Und in welche Schublade passt dieser Wichser?«
Thorne legte sein Messer und seine Gabel weg. Es war noch eine halbe Pizza übrig, aber er war satt. »Das frage ich mich auch. Zum Teil ist er organisiert. Die Briefe an die Typen im Gefängnis. Dodd muss weg, also beseitigt er ihn. Die Wäscheleine, die nicht vorhandenen Spuren, die Fotos, die er mir geschickt hat …«
»Das macht ihn richtig an, so viel steht fest …«
»Doch warum hat er den Kerl halb totgeprügelt? Dodds Gesicht sah aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Warum hat er ihm nicht einfach einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt und ihn dann aufgeknüpft?« Eine Bedienung hing in ihrer Nähe herum und versuchte, nicht den Eindruck zu erwecken, als lausche sie. Thorne hob seinen Teller. Sie nahm ihn vorsichtig und rauschte davon. »In gewisser Weise schieben sie immer einen Hass, verstehst du. Ich habe noch keinen Mörder kennen gelernt, der nicht wegen irgendetwas stinksauer war.« Thorne leerte sein Glas. Er schluckte und sah die Leichen von Welch und Remfry vor sich. Was mit ihnen angerichtet worden war. »Und der Kerl? Er passt in keine Schublade mehr …«
»Hast du heute Abend schon was vor?« Hendricks wischte sich den Mund ab. »Ich könnte rüberkommen.«
»Was?«
Hendricks sah hinüber zu den Bedienungen, die sich um die Kasse versammelt hatten. »Ich wechsle das Thema. Bevor sie die Polizei rufen.«
»Das liegt an deinem Aussehen, nicht an unserem interessanten Tischgespräch, dass sie so rüberstarren. Und nein, heute Abend kannst du nicht vorbeikommen. Ich treffe mich mit jemandem, der eindeutig besser aussieht als du.«
»Das kann nicht sein.«
»Ohne so entsetzliche Piercings …«
Hendricks grinste. »Kann man nie wissen. Sie könnte welche an verborgenen Stellen haben.«
Die Bedienung tauchte wieder auf. Sie nahm den Teller, der vor Hendricks stand. Er hatte den Pizzarand vollständig übrig gelassen.
»Dir fehlen die Locken«, sagte Thorne.
Hendricks fuhr sich mit der Hand über seinen rasierten Schädel. »Bei meinem Stil kein Problem …«
Der Nachmittag war nahtlos in den Abend übergegangen, und als Thorne sich zu dem kleinen Tisch neben dem Zigarettenautomaten durchdrängte, an dem Eve saß, war es bereits fast Zeit für die letzte Bestellung. Genug Zeit, um gemeinsam eine Flasche Wein zu leeren. Genug Zeit für Thorne, um sich bei Eve zu entschuldigen, sie so hängen zu lassen. Und genug Zeit für Eve, ihm zu erklären, er solle nicht albern sein. Und mehr als genug Zeit für Thorne, um ihr so gut wie nichts darüber zu erzählen, wie sein Tag gewesen war.
Es war ein kleiner, netter Pub in der Nähe des Hackney Empire. Sie traten hinaus auf die Mare Street und sahen die Straße hinauf und hinunter. Sie knöpften unnötige Jackenknöpfe zu, betrachteten aufmerksam die geparkten Autos, überbrückten einen Moment plötzlicher Verlegenheit.
Eve trat zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Wie war das gleich wieder mit dem Knutschen Das brauchte man Thorne nicht zweimal sagen.
Sie küssten sich, er fasste sie um die Taille, und sie legte ihm ihre Hände an den Nacken und den Hinterkopf. Biss ihn zärtlich in die Unterlippe. Er schob ihr die Zunge in die Lücke zwischen ihren Vorderzähnen. Dann grinste er breit, und sie ließen voneinander ab.
»Ich wusste es, du bist scharf darauf«, sagte Thorne.
Sie ließ die Hand sinken und kniff ihm in den Hintern. »Ich bin noch auf ganz andere Sachen scharf.«
Es waren nur ein paar Minuten zu Eves Wohnung. Eine kurze Fahrt mit dem Bus oder einem Taxi, um zu Toms Wohnung zu kommen. Das war nicht der Grund für die Unsicherheit, die Eve in Thornes Augen bemerkte.
»Du hast noch immer kein neues Bett gekauft, stimmt’s?«, fragte sie.
Thorne tat sein Bestes, wie ein schuldbewusster Schuljunge dreinzublicken. Er glaubte, dadurch liebenswert zu wirken. »Ich hatte nicht die Zeit dazu … »
Sie nahm ihn bei der Hand, und sie liefen los.
»Ich hatte eigentlich nur letzten Sonntag frei, und da war eine Menge Scheiß zu erledigen.« Thorne beschloss, nicht in die Details zu gehen.
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