Tom Thorne 04 - Blutzeichen
verspreche dir nicht, dass ich den Typen erwische, der das getan hat, weil ich das nicht kann. Aber eines kann ich dir versprechen, ich werde mich dahinter klemmen.«
Thorne wartete, doch der Junge blickte nicht auf. Er nickte Terry leicht zu, der sich erhob und Yusuf einen Arm um die Schulter legte. Der Constable sagte etwas, versuchte ihn leise zu trösten, als Thorne die Tür hinter sich zuzog.
Er kam gerade noch rechtzeitig in den Laden zurück, um zu sehen, wie der schwarze Vorhang zur Seite schwang und DCI Nick Tughan hereinkam. Der Auftritt eines drittklassigen Schauspielers.
»Gut, was haben wir denn?« Tughan war ein spindeldürrer Ire mit nicht gerade sinnlichen Lippen. Seine kurz geschnittenen rotblonden Haare waren immer frisch gewaschen und der Kragen unter dem wie immer exklusiven Anzug strahlend sauber. »Wer bringt mich aufs Laufende …?«
Lächelnd zuckte Thorne mit den Achseln: Ich, wenn es sich nicht vermeiden lässt, du Wichser. Er war froh, als Holland zu ihm trat, um ihn zu begrüßen. Man sah ihm an, wie unangenehm es ihm war, andererseits wusste er, dass ihm das einen Drink einbrachte. Ein Bier schien überhaupt eine gute Idee, auch wenn es erst elf Uhr war. Einschließlich der Izzigils befanden sich ein Dutzend Leute in dem kleinen Laden. Dazu die Hitze, die von den Lampen der Spurensicherung abstrahlte. Beides hatte den Laden im Handumdrehen in eine Sauna verwandelt. Thorne wollte gerade hinaus, um etwas frische Luft zu schnappen, als der Vorhang ein weiteres Mal beiseite geschoben wurde. Es war Hendricks.
»Was war denn mit dir los gestern Abend?«
Thorne seufzte. Er hatte vollkommen vergessen, Hendricks anzurufen und ihm zu sagen, dass er noch bei seinem alten Herrn vorbeischaute. »Erzähl ich dir später …«
»Alles in Ordnung?«
»Ja, klar … war nur mein Dad.«
»Geht es ihm gut?«
»Er geht mir auf die Nerven …«
»Ich bin aufgeblieben. Du hättest anrufen sollen.«
»Ist ja süß.« Das war Tughan. Der Detective Inspector stand über die Leichen von Muslum und Hanya Izzigil gebeugt und setzte jetzt ein gespielt freundliches Lächeln auf. »Nein, wirklich, ist das nicht rührend, wie sehr er sich um Sie sorgt …«
Draußen vor dem Laden spuckte Thorne noch immer Gift und Galle, als Holland zehn Minuten später zu ihm stieß.
»Wenn es je einen Anreiz gab, einen Fall zu lösen …«
»Absolut«, sagte Thorne. »Dann, diesen Schleimer loszuwerden.«
»Aber er hatte nicht ganz Unrecht. Es war rührend …«
Thorne wandte sich um, um Dampf abzulassen, doch als er das breite Grinsen auf Hollands Gesicht sah, hellte sich sein eigenes etwas auf. Mit einem tiefen, langen Seufzer lehnte er sich an das Schaufenster. »Sie sehen übel aus, Dave …«
Thorne hatte im Lauf der letzten Jahre miterlebt, wie DC Dave Holland langsam erwachsen wurde, vor allem nach der Geburt seiner Tochter. Die blonden Haare, die ihm immer in die Stirn hingen, waren seit neuestem kurz geschnitten, was ihn ein paar Jahre älter wirken ließ. Und auch um die Augen waren ein paar Fältchen hinzugekommen. Thorne war bekannt, dass nur wenige Polizisten sich ihr jugendliches Aussehen bewahrten. Und die hatten entweder unverschämtes Glück oder waren faul. Beides traf auf Holland nicht zu. Im Jahr zuvor hatte er Thorne das Leben gerettet. Über die Umstände – das, was sie beide dabei an Krankem und Düsterem, an sexuellen Abgründen erlebt hatten – hatten sie seit dem anschließenden Prozess so gut wie nicht mehr gesprochen.
»Ich bin vollkommen kaputt«, sagte Holland.
Thorne betrachtete die blonden Stoppeln auf den blassen, eingesunkenen Wangen. Zeichen der Erfahrung und der Verantwortung? Vor ein paar Jahren noch – und vor allem während der Schwangerschaft seiner Freundin – hatte Holland es an beidem fehlen lassen.
»Das Baby?«
»Eigentlich ist es Sophie. Es muss an den Hormonen oder was weiß ich liegen, aber sie macht mich drei-, viermal pro Nacht an und will Sex.«
»Was?«
» Natürlich ist es das Baby! Hat man Ihnen einen Humor-Bypass gelegt?«
»Ich hab selbst nicht viel geschlafen. Ich bin bei meinem Dad geblieben.«
»Tut mir Leid, hab ich vergessen. Wie geht’s ihm?«
»Der bringt mich noch ins Grab, bevor er es schafft, sich selbst umzubringen.«
Auf der Straßenseite gegenüber hatten sich ein paar Schaulustige versammelt, um das Kommen und Gehen vor Izzigils Videoladen zu beobachten. Das Café, von dem aus Constable Terry losgerannt war, um herauszufinden, was es
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