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Tom Thorne 04 - Blutzeichen

Titel: Tom Thorne 04 - Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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es unmöglich, mit den Schuldgefühlen, der Wut und den Schuldzuweisungen fertig zu werden. Dem Mann oder der Frau in die Augen zu blicken und nicht das Gesicht des toten Kindes zu sehen.
    »Es gibt also nichts Neues?«, fragte Clarke. Er strich sich mit der Hand über den Schädel. Sein Haar war schon ziemlich schütter, und er hatte den grauen Rest brutal kurz geschnitten, wodurch seine wie gemeißelt wirkenden Gesichtszüge und die lebhaften blauen Augen betont wurden, die sein Alter Lügen straften. Soweit Thorne wusste, musste er mindestens Ende fünfzig sein, aber er sah zehn Jahre jünger aus.
    Thorne schüttelte den Kopf. »Es ist immer dieselbe Geschichte, neu verpackt, um ein paar Zeitungen mehr zu verkaufen. Nichts davon stammt von uns.«
    »Gibt es Zeugen? Beschreibungen? Es war doch viel los auf der Straße, Herrgott noch mal.«
    »Es gibt nichts Neues, seit ich das letzte Mal mit Ihnen telefoniert habe. Tut mir Leid.«
    »Ich weiß, dass Sie mir eigentlich überhaupt nichts erzählen müssten. Ich bin Ihnen dankbar …«
    Thorne winkte ab. Er wollte keinen Dank und schon gar nicht die damit verbundene Entschuldigung. Einen kurzen Augenblick lang tranken sie nur ihren Tee und starrten in das Gasfeuer. Auf dem Kaminsims lagen Postkarten, Zigaretten, eine von einem Kind geschriebene Partyeinladung. Der große Spiegel in dem Holzrahmen darüber reflektierte eine Aquarellzeichnung an der Wand in seinem Rücken.
    Clarke bemerkte, dass Thorne das Bild betrachtete. »Von Jessicas Mutter«, sagte er. »Eines von den wenigen Dingen, die ich behalten konnte.«
    Clarke saß in einem Sessel, dem man sein Alter ansah. Thorne saß ihm gegenüber auf einem passenden Sofa.
    »Ein bisschen wie in dem Witz, oder?«, versuchte Clarke es plötzlich anders. »Von den Polizisten, denen die Taschenlampen gestohlen werden.«
    Thorne grinste. »Ja …«
    Obwohl Thorne die Anspielung offensichtlich kapiert hatte, ritt Clarke auf der abgedroschenen Pointe herum: »Sie tappen völlig im Dunkeln.«
    »Wir brauchen ein bisschen Glück«, sagte Thorne. »Wir brauchen immer ein bisschen Glück.«
    Clarke stellte seine Tasse ab und stand auf. »Und wenn er es bei einem anderen Mädchen versucht, wär das das entscheidende Quäntchen Glück?« Lächelnd trat er ans Fenster und zog die Vorhänge zu.
    Wieder fiel Thorne auf, wie gut Clarke für sein Alter aussah. Allerdings mochte die sportliche blaue Fleecejacke ein Gutteil zu diesem Eindruck beitragen. Er war froh, etwas gefunden zu haben, um das merkwürdige Schweigen zu brechen. »Sie wirken ziemlich fit.« Er klopfte sich auf den Bauch. »Etwas abzuspecken würde mir nicht schaden.«
    Clarke ging am Sofa vorbei und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Ich leite ein Fitnesscenter«, erklärte er.
    Thorne nickte, obwohl das eigentlich nichts erklärte. Die meisten Friseure hatten eine entsetzliche Frisur, und er kannte eine Menge unehrlicher Bullen. »Also nehmen wir mal an«, sagte er, »dieser neue Vorfall hängt auf irgendeine Weise mit dem Anschlag auf Ihre Tochter zusammen.«
    Clarke zupfte an seiner Lippe. »Das liegt doch auf der Hand. Es handelt sich um dieselbe … Art von Anschlag. Wer immer dieser Irre ist, er muss über Jess Bescheid wissen. Er muss davon gelesen haben.«
    »Ja. Oder es gibt eine andere Verbindung.«
    »Wär das möglich?«
    »Wir sprechen von Annahmen.«
    »Andere Verbindungen, gut.« Und rasch: »Zum Beispiel?«
    Clarke hatte Recht, als er sagte, er habe keinen Anspruch darauf, informiert zu werden. Aber Thorne saß nur aus diesem einzigen Grund in Clarkes Wohnzimmer. Er war gekommen, um es ihm zu sagen.
    »Möglicherweise ist der Mann, der 1984 des Mordversuchs an Ihrer Tochter für schuldig befunden wurde, nicht der Täter.«
    Clarke lachte bellend auf. »Was? Weil so ein Irrer da draußen loszog und sich Brennspiritus besorgte?«
    »Nein …«
    »Das ist doch absolut lachhaft.«
    »Warten Sie’s ab, Mr. Clarke.«
    »Wenn also morgen Nacht in Leeds eine Prostituierte aufgeschlitzt wird, bedeutet das, dass Peter Sutcliffe unschuldig ist?«
    »Wir hatten bereits vor diesem zweiten Anschlag letzte Woche Grund genug, die Unschuld Gordon Rookers in Betracht zu ziehen.«
    Bei der Erwähnung von Rookers Namen spannte sich die Haut auf Clarkes Kinn merklich. »›Grund genug‹ ist wohl so ein Polizistenjargon. Wie bei Ärzten, wenn sie von ›den Umständen entsprechend‹ reden, wenn einer auf dem Totenbett liegt. Ja? Oder irre ich mich? Denn

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