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Tom Thorne 04 - Blutzeichen

Titel: Tom Thorne 04 - Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Irgendetwas läuft da.«
    »Darf ich Sie fragen, woher Sie das alles wissen?«
    Sie reagierte mit einem leichten Kopfschütteln, als habe sie eher etwas gegen die Unterbrechung als die Frage an sich. Dann fuhr sie fort, um zu zeigen, wie viel sie wusste. »Selbst wenn Ihnen nicht klar wäre, dass der Mann, der zustach, Billy Ryan eine Menge Geld schuldet, müssten Sie schon ziemlich ignorant sein, um nicht dahinter zu kommen, wer da die Fäden zieht.« Sie strich sich ein paar lose Haarsträhnen hinter das Ohr. »Ryan ist dafür verantwortlich, so viel ist klar.«
    »So viel ist klar«, wiederholte Thorne.
    »Er hatte offensichtliche Gründe, Rooker umbringen zu lassen.«
    Offensichtliche Gründe. Thorne bemerkte erleichtert, dass sie nicht alles wusste …
    »Doch warum er sich ausgerechnet jetzt dafür rächen will, was Rooker vor zwanzig Jahren machte, bleibt ein Rätsel.«
    Dieses bizarre und unvermittelte Gespräch machte Thorne nervös. Irgendwie jagte ihm diese Frau Angst ein. Ihr Auftreten faszinierte ihn, aber gleichzeitig störte es ihn ungemein.
    »Sie sprachen von dem ›Mann, der wegen des Überfalls auf Jess im Gefängnis sitzt‹. Finden Sie das nicht ein bisschen seltsam? Sie haben nicht gesagt: ›der Mann, der Jess überfiel‹. Eine merkwürdige Formulierung.«
    Sie sah ihn mit leerem Blick an.
    »Haben Sie Anlass, Gordon Rooker nicht für den Täter zu halten?«, fragte Thorne.
    Ein leises Lächeln entwischte ihr. »Es läuft also was!«
    Thorne war sich ziemlich sicher, soeben in eine ausgetüftelte Falle getappt zu sein. Es lief offensichtlich mehr hinter Alison Kellys grünen Augen, als er vermutet hatte.
    Nun versuchte sie gar nicht mehr, ihr Lächeln zu verbergen, als sie hinzufügte: »Und ich weiß noch etwas: Sie werden mir nichts davon erzählen.«
    Die Zeit für Höflichkeiten war längst abgelaufen. »Was wollen Sie, Miss Kelly?« Und mit einem Mal blickte Thorne hinter die Fassade. Doch nur, weil sie einen kleinen Riss bekam und verrutschte. Die Linie um ihr Kinn und die Schulterhaltung wurden weicher.
    »Sie sind nicht der Einzige, der sich nicht vorstellen konnte, dass ich hier einfach so hereinmarschiere«, sagte sie. »Ich musste mir Mut antrinken, um hier vorzufahren.« Plötzlich wirkte ihr Lächeln nervös, jeder Anschein von Selbstvertrauen oder Überlegenheit war aus ihrer Stimme verflogen.
    »Ich möchte wissen, was dieses Mädchen gemacht hat«, sagte sie. »Was seine Freundinnen an dieser Bushaltestelle gemacht haben, um es zu retten. Ich möchte wissen, was ihre Aufmerksamkeit geweckt hat. Was wir nicht gesehen, nicht getan haben.«
    »Ich glaube, es bringt nicht viel …«
    »Gemerkt habe ich es, als Jess auf mich zurannte und ich ihr aus dem Weg sprang. Verstehen Sie? Ich konnte nur zusehen.« Ihre Stimme war ein kaum hörbares Flüstern, aber sie schien von den blanken weißen Wänden widerzuhallen. »Ich hörte das Knistern, als die Flammen ihre Haare erreichten. Und dann roch ich es. Haben Sie das schon einmal gerochen? Ich meine, haben Sie je so was Ähnliches gerochen?
    Mir war nicht schlecht. Aber ich hatte das Gefühl, mir wird jeden Augenblick schlecht und ich muss mich übergeben. Musste ich aber nicht. Zumindest nicht damals. Heute reicht allein der Gedanke … der Geruch eines entzündeten Streichholzes …«
    Sie wirkte verwirrt. Und sie klang auch so. Sie war eine Erwachsene auf einem Schulhof. Ein Kind auf einer Polizeiwache.
    »Das hätten meine Haare sein können. Sein sollen …«
    Thorne wollte etwas sagen, doch er war zu langsam.
    »Ich möchte wissen, warum Jess nicht davongekommen ist wie dieses Mädchen. Warum nicht sie? Ich möchte, dass Sie mir erklären, was wir hätten tun können, um sie zu retten.«
     
    Thorne hörte die Eastenders gerade laut genug, um Hendricks’ Badezimmerarien zu übertönen. Er zog Elvis auf seinen Schoß, blätterte die Sportseiten des Standards durch, der über der Sofalehne lag. Ihm ging nicht aus dem Kopf, was Alison Kelly gesagt hatte. Er war nicht der Einzige, der diese Ungewissheit nicht ertrug.
    Alison Kellys Wunsch nach Gewissheit reichte jedoch etwas tiefer als sein eigener. Es gab eine ganze Menge, was er anders machen würde, hätte er auch nur den Hauch einer Chance, aber er fühlte sich nicht verantwortlich – schuldig. Sie hatte sich zwanzig Jahre mit Vorwürfen und Schuldgefühlen herumgeschlagen. Die einen hatten die anderen genährt und waren dabei selbst paradoxerweise immer fetter geworden. Bis sie

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