Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
Vom Netzwerk:
Computertricks. Das hier, die Stunde, wenn die Hauptstadt sich duschte, rasierte und auf dem Klo saß, kam dem noch am nächsten. Von menschenleeren Straßen zwar keine Spur, aber durchgeknallte Zombies gab’s ’ne Menge.
    Die meisten Läden öffneten erst in ein, zwei Stunden. Heutzutage machten die wenigsten ihre Türen vor zehn Uhr auf. Nur die Cafés und Snackbars hatten bereits geöffnet und lockten die Laufkunden auf eine Tasse Tee und ein Schinkensandwich herein. So wie die Burgerwagen und Kebabläden es auf die Nachteulen abgesehen hatten, die noch vor ein paar Stunden unterwegs nach Hause waren.
    Eine Tasse Tee und ein Sandwich. Normalerweise kratzte er abends genug Geld zusammen, dass er sich am anderen Tag etwas zu essen kaufen konnte. Aber heute war ein anderer mit Zahlen dran.
    In der Mitte der Glasshouse Street trat ein Mann in einem dunkelgrünen Anzug vor ihm aus einem Eingang und versuchte, an ihm vorbeizugehen. Beide wichen in dieselbe Richtung aus und lächelten einander verlegen zu.
    »Ein wunderbarer Morgen für ein Tänzchen, was …?«
    Bei der plötzlichen Erkenntnis, dass er es offensichtlich mit einem Irren zu tun hatte, rutschten dem Mann die Mundwinkel nach unten. Er wandte sich zur Seite und senkte den Kopf. Drängte sich vorbei mit den Worten »Entschuldigen Sie …« und »Ich kann nicht …«
    Er schulterte seinen Rucksack und ging weiter. Was das wohl war, was der Mann in dem Anzug nicht tun konnte?
    Auf einen einfachen Gruß antworten? Etwas Kleingeld erübrigen? Mich zum Teufel schicken?
    Er lief die Regent Street hinauf, bog rechts ab und nahm eine Abkürzung durch die Seitenstraßen Sohos zur Tottenham Court Road. Eine fremde und zugleich vertraute Gestalt, die im Gleichschritt neben ihm herlief, fesselte seinen Blick. Er wurde langsamer, bevor er ganz stehen blieb. Der Fremde tat es ihm gleich.
    Er trat einen Schritt vor, um in dem Schaufenster das Spiegelbild des Mannes näher in Augenschein zu nehmen, der er in dieser kurzen Zeit geworden war. Seine Haare schienen schneller zu wachsen, das Grau hob sich stärker von dem Schwarz ab. Das gepflegte Kinnbärtchen, das er sich einmal zugelegt hatte, verlor sich in den wild wuchernden Stoppeln auf Wangen und Hals. Sein roter Nylonrucksack war der einzige Farbfleck in dem Bild, das ihm aus dem Schaufenster entgegenstarrte, so schmuddlig war er. Der schmierig graue Mantel und die dunkle Jeans waren so nichts sagend, so anonym wie das Gesicht darüber. Er beugte sich vor und schnitt Fratzen, zog die Lippen nach hinten, die Augenbrauen nach oben, blies die Backen auf. Doch die Augen blieben leer und unbewegt – und es sind die Augen, die alles über einen Menschen verraten.
    So vage wie ein Vagabund. Als er sich vom Fenster abwandte, entdeckte er einen Bekannten auf der anderen Seite der Straße. Einen jungen Kerl – beinahe noch ein Kind –, der, die Arme um die Knie und den Schlafsack um die Schultern geschlungen, an eine schmutzige weiße Wand gelehnt saß. Vor ein paar Abenden hatte er mit dem Jungen gesprochen. Irgendwo beim Hippodrom. Konnte vor einem der großen Kinos am Leicester Square gewesen sein. Er war sich nicht sicher, erinnerte sich nur an den Akzent des Jungen. Er klang schwer nach Nordostengland. Newcastle oder Sunderland. Das meiste, was er sagte, war unverständlich, zähneknirschend spuckte er die Silben aus wie Maschinengewehrsalven, während er den Kopf hierhin und dorthin drehte und an seinem Kragen herumfingerte. Er war so voll gedröhnt mit Ecstasy, dass es schien, als wolle er sein eigenes Gesicht auffressen.
    Er ließ ein Taxi vorbei, bevor er auf die Straße trat. Der Junge sah auf, als er näher kam, und zog seine Knie noch näher an den Körper heran.
    »Alles okay?«
    Der Junge drehte den Kopf zur Seite und zog den Schlafsack fester um die Schultern. Aus einem Riss neben dem Reißverschluss quoll die graue Füllung.
    »Ich glaub nicht, dass es regnen wird … »
    »Gut«, entgegnete der Junge. Mehr ein Knurren als eine Antwort.
    »Wird wohl trocken bleiben.«
    »Bist du ein Scheißwetterfrosch oder was?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich sag’s ja nur »Ich hab dich schon mal gesehen, oder?«, fragte der Junge.
    »Neulich abends.«
    »Warst du mit Spike zusammen? Und Irgendwann-mal-Caroline?«
    »Ja, die waren auch da, glaub ich …«
    »Du bist neu.« Der Junge nickte, zufrieden darüber, dass es ihm wieder einfiel. »Ich weiß noch, du hast so saublöd gefragt …«
    »Bin seit ein paar Wochen auf der

Weitere Kostenlose Bücher