Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
Vermutlich, um mich unter Druck zu setzen. Die Affäre war nicht zu Ende, als ich dir davon erzählt hab. Ich hab versucht, Schluss zu machen, aber er ließ mich nicht.« Mullen versuchte, etwas zu sagen, aber sie übertönte ihn, redete schnell, als fürchte sie, in Stücke zu zerspringen, wenn sie eine Pause einlegte. »Wir haben weitergemacht, aber jedes Mal, wenn ich Luke oder Juliet sah, bin ich gestorben. Ich bin vor Schuld gestorben. Also habe ich vor ein paar Monaten beschlossen, endgültig Schluss zu machen. Und ich hab ihm gesagt, dass ich diesmal dabei bleiben würde.« Sie zögerte, erinnerte sich. »Er nahm es nicht gut auf …«
Thorne war aufgesprungen. Er konnte sein Erstaunen und seine Abscheu nicht verbergen. »Und da hat er Ihren Sohn gekidnappt?«
»Ich war dumm.« Sie klammerte sich an ihren Mann. »Ich war so dumm, genau diesen Zeitpunkt dafür zu wählen. Er hatte gerade seine Mutter verloren und war am Boden zerstört. Und ich hab gedacht, das wäre eine gute Zeit, verstehen Sie … es ihm zu sagen, weil er genug anderes im Kopf hätte. Aber er ist vollkommen durchgedreht.«
Thorne schaute sie an und dachte bei sich: Wem sagen Sie das!, während er darauf wartete, dass sie weitersprach.
»Dann hab ich, Gott steh mir bei, Sarah Hanley erwähnt.«
»Was?«
»Wir haben nie darüber gesprochen, was passiert war. Es war wie ein Film, den wir gesehen hatten. Aber ich wollte, dass er akzeptiert, dass es vorbei ist. Und dass er mich in Ruhe lässt. Deshalb hab ich gesagt, wie furchtbar das wäre, wenn es jemand herausfände. Ich hab das einfach so gesagt, weil ich so verzweifelt war. Ich wollte ihn nicht bedrohen.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Thorne.
Mullen flüsterte den Namen seiner Frau.
»Ich war da, als Sarah Hanley starb«, sagte sie.
Tony Mullen stand langsam auf, und da er beide Hände seiner Frau in den seinen hielt, stand sie mit ihm auf. Ihre Finger waren verdreht und ganz weiß und die Arme angespannt, als sie anfingen, einander vor dem Sofa zu schubsen. Sie versuchten, dabei nicht die Balance zu verlieren. Ein leises Stöhnen war zu hören …
Thorne, der ebenfalls auf den Beinen war, hatte Angst, die beiden könnten gewalttätig werden, aber der Moment ging vorüber, und Mullen fiel erschöpft zurück auf das Sofa. Thorne starrte die beiden an. Er holte ein paar Mal tief Luft, während ihm hundert Fragen durch den Kopf schossen.
Die Antworten konnten warten, er holte sein Handy heraus und wählte.
Maggie Mullen sah, was er vorhatte. Sie trat zu ihm und streckte die Hand aus. »Bitte, nicht wie das letzte Mal«, sagte sie. »Gehen Sie da nicht so rein wie in diese Wohnung. Nicht mit dem Gewehr im Anschlag. Ich weiß nicht, wie er reagieren wird. Keine Ahnung, was er dann tut.«
Thorne nickte und hob das Telefon. »Ich brauche seine Adresse.«
Sie gab sie ihm, ohne darüber nachzudenken. »Bitte«, wiederholte sie. »Luke ist unverletzt … bislang. Es geht ihm gut. Versprechen Sie mir, dass Sie keine Dummheiten machen, dass Sie nicht mit Waffen reingehen …«
Es läutete am anderen Ende der Leitung. Thorne sah zu Tony Mullen, wie er mit weit aufgerissenen Augen zu seiner Frau blickte, die ihn am Ärmel zupfte. »Wie können Sie wissen, dass Luke unverletzt ist?«
Jetzt wichen ihre Augen ihm aus. »Ich hab mit ihm gesprochen.«
Mullens Stimme klang heiser. »Du hast mit Luke gesprochen?«
»Nein«, sagte sie. »Nicht mit Luke. Mit Luke hab ich nicht gesprochen.«
Porter ging ans Telefon.
Sie war gerade auf dem Rückweg von Kathleen Bristows Haus in Shepherd’s Bush. Sie hielt an, um mitzuschreiben, sobald sie verstanden hatte, worum es ging. Thorne gab ihr in groben Umrissen Bescheid. Er nannte ihr eine Adresse in Catford, auf der anderen Seite der Stadt von ihm aus gesehen und noch ein gutes Stück weiter im Südosten, von Porters Position aus.
»Wie schnell, denkst du, hast du ein Team dort?«, fragte er.
»Die sind vor mir dort«, sagte Porter. »Da bin ich mir ziemlich sicher.«
Thorne gab Maggie Mullens Befürchtungen weiter: ihre Angst, die Reaktion des Kidnappers auf einen bewaffneten Angriff sei nicht im Geringsten vorhersehbar; ihre Bitte, vorsichtig vorzugehen.
Porter hielt sich zurück. »Ich kann nichts versprechen«, sagte sie.
Als Thorne auflegte, erklärte er, Porter habe ihm versichert, ihr Bestes zu tun.
Er hatte kein Problem damit, sie anzulügen.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Man denkt an die Kinder.
An nichts anderes. In dieser
Weitere Kostenlose Bücher