Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
Situation, in dieser Lage. Wenn man nicht weiß, ob es an der Wut oder den Schmerzen liegt, dass man sich krümmt und nicht hinausbrüllen kann, was man sagen möchte.
Man denkt nur an sie …
»Warum, verdammt, warum, zum Teufel, erst jetzt? Warum erfahr ich das erst jetzt?«
»Es war einfach nie der richtige Zeitpunkt. Es schien am besten, damit zu warten.«
»Am besten?« Sie ging einen Schritt auf den Mann und die Frau am anderen Ende ihres Wohnzimmers zu.
»Immer mit der Ruhe«, sagte er.
»Was soll ich jetzt machen?«, sagte sie. »Das würde ich gerne wissen.«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Ich hab doch gar keine Wahl!«
Die andere Frau mischte sich vorsichtshalber ins Gespräch ein. »Wir müssen uns in Ruhe hinsetzen und darüber sprechen, was wir jetzt am besten machen …«
»Allmächtiger. Da gehört was zu, einfach hier hereinzumarschieren und mir das zu erzählen. So nebenbei, wie etwas, das man vergessen hat. Hier herzukommen und mir das alles einfach so zu erzählen … Scheiße!«
»Sarah …«
Ein paar Sekunden lang waren nur das Ticken und der Verkehrslärm in der Ferne und der blecherne Klang des Küchenradios zu hören …
»Es tut mir leid.«
»Was, hab ich das richtig verstanden?« Sarah Hanley lächelte, lachte sogar. Sie zerknüllte den Stoff ihres Kleides in der Faust, die sie unwillkürlich ballte. »Ich muss jetzt in die Schule.«
»Den Kindern geht’s gut«, sagte der Mann. Er sah zu der Frau, die bei ihm war, und sie nickte zustimmend. »Wirklich, meine Liebe. Denen geht’s wunderbar.«
»… und da ist sie auf uns los«, sagte Maggie Mullen. »Auf uns beide. Sie hat gekratzt und gespuckt und uns alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Er hob nur die Hände, um sein Gesicht zu schützen, weil sie vollkommen die Kontrolle verloren hatte. Er wollte sie nicht schubsen.«
»Sie dachte an ihre Kinder«, sagte Thorne.
»Wir doch auch. Deshalb waren wir ja da, weil wir beschlossen hatten, sie über Grant Freestones Vergangenheit zu informieren.«
»Und keinem von Ihnen kam dabei die Idee, dass sie die Neuigkeit vielleicht nicht ganz ruhig aufnehmen könnte?«
Maggie Mullen war tief in ihren Sessel gesunken. Sie hatte die Arme um sich geschlungen, als sie antwortete. Ihr Mann beobachtete sie vom Sofa aus. Er war aschfahl, als hätte man ihm den letzten Atemzug Luft, den er zum Leben brauchte, aus dem Leib geprügelt.
»Wir waren dazu ausgebildet, solche Gespräche zu führen«, sagte Maggie Mullen. »Wir versuchten, sensibel vorzugehen. Es … geriet alles außer Kontrolle.«
»Was geschah dann?«
»Wir haben Panik bekommen. Alles war voller Blut. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Und am Schluss sind wir einfach abgehauen.« Sie sah zu Thorne. »Ich weiß nicht mehr, wer zuerst die Idee hatte, wirklich nicht. Aber es war ein solches Chaos. Es war einfach nur ein dummer Unfall.«
»Ein Unfall, den man, wie Sie wussten, Grant Freestone anlasten würde.«
»Daran haben wir nie gedacht«, sagte sie. »Zumindest ich nicht. Ich schwöre es. Als man ihm dann dafür die Schuld gegeben hat, haben wir darüber gesprochen, aber wir wussten nicht, was richtig ist. Zu dem Zeitpunkt war es bereits zu spät, sich zu melden und zu versuchen, alles zu erklären.«
Thorne ging langsam zu ihr und blieb hinter ihrem Sessel stehen. »War sie noch am Leben, als Sie wegliefen?«, fragte er.
Maggie Mullen senkte den Kopf, schüttelte ihn.
Thorne schaute hinunter auf die Haare, die seit Tagen nicht mehr gewaschen worden waren. Nur sie und der Mann, mit dem sie an jenem Tag zusammen in Sarah Hanleys Haus gewesen war, wussten, ob sie die Wahrheit sprach. »Ihnen ist bekannt, dass ihre Kinder ihre Leiche fanden?«
»Ja …«
Tony Mullens Hände lagen zitternd in seinem Schoß. Er schluckte und flüsterte: »Mein Gott …«
»Also gingen Sie einfach …«, sagte Thorne.
Sie nickte, hielt jedoch die Augen gesenkt. »Ja, wir gingen, und wir hofften, dass uns niemand sieht.« Sie sah auf. »Und es hat uns auch niemand gesehen. Wir sind zu Kathleen Bristow gegangen, die uns den Auftrag zugeteilt hatte, und haben ihr erzählt, wir hätten den Termin abgesagt und wären nicht hingegangen. Wir haben ihr irgendeine Geschichte erzählt, mir sei nicht wohl gewesen. Als dann die Leiche gefunden wurde, war das alles vergessen, und es hat so ausgesehen, als wären wir sicher.«
»Hat er Bristow deshalb umgebracht?«, fragte Thorne. »Hatte sie noch Unterlagen, die bewiesen,
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