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Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders

Titel: Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Glauben schenken durfte.
    Wahrscheinlich eine von diesen ganz billigen, gestreiften Tüten, die man in den Supermärkten mit den extra langen Öffnungszeiten und den ramschigen kleinen Eckläden bekam. Der Fahrer des anderen Autos war nie so weit gegangen, die Tüte vor Gericht zu beschreiben, aber sie hatte sie sich so vorgestellt. Wie sie über die Straße und hoch zur Windschutzscheibe flatterte, vom Wind dagegengedrückt wurde und dem Fahrer diese eine entscheidende Sekunde die Sicht nahm, weshalb er ausscherte. Ein formloses Stück Treibgut war Schuld, dass er in den entgegenkommenden silbernen Mercedes fuhr. Das beim Aufprall wie Rauch davonwehte und ihren Daddy durch die Windschutzscheibe schickte. Billig und ohne Substanz. Praktisch gewichtslos. Etwas so Schreckliches, ausgelöst durch ein Nichts …
    Der Junge war jetzt wieder mit Drogen abgefüllt und weggetreten, und Conrad schlief im Zimmer nebenan. Es war helllichter Tag, aber ihre Körperuhr war völlig durcheinander. Die Vorhänge waren ständig zu, es hätte Morgen sein können, Mittag oder Nacht. Es war so oder so egal. Es war nur langweilig, einfach langweilig. Sie mussten hierbleiben, bis alles vorüber war. Bis sie wussten, was als Nächstes passierte.
    Wenn sie über den Unfall ihres Vaters nachgrübelte, was sie oft machte, dachte sie eigentlich nie an den anderen Fahrer: schreiend und ohne Sicht hinter seinem Steuerrad. Der in einer Halskrause vor Gericht aussagte, die Treppe vor dem Gerichtsgebäude hinunterhumpelte, während ihre Mutter ihm nachschrie. Stattdessen dachte sie – und ihr war klar, wie irrational das war – an die Person, die die Plastiktüte verkaufte. An die Person, die Obst oder Fisch oder sonst einen Scheiß hineinsteckte. An die Reihe von Händen, durch die sie gegangen war, bevor sie im Rinnstein landete. Sie dachte an die Menschen, die nie erfahren würden, welche Rolle sie beim Tod ihres Vaters spielten. Sie stellte sich ihre Gesichter vor. Sie gab jedem ein Leben und eine Familie, um dieses Leben auszufüllen. Und in ihren finstersten Stunden, von denen es viele gab, entfernte sie jemanden aus diesen Familien und sah zu, wie das Leben, das sie sich ausgedacht hatte, in die Brüche ging.
    Sie trat zu dem tragbaren CD-Spieler in der Schlafzimmerecke und stellte die Musik etwas lauter, um die Atemgeräusche des Jungen zu übertönen. Sie holte sich, was sie brauchte, aus ihrer Handtasche und setzte sich wieder auf den Boden.
    Es war der übliche Streit gewesen. Conrad hatte wieder mit dieser tiefen, enttäuschten Stimme gesprochen, die er sich für Drogengespräche aufhob. Er sagte, sie müsse einen klaren Kopf behalten. Sie erklärte ihm, dass sie etwas brauchte, weil die Situation so stressig war. Er wurde wütend, erinnerte sie, dass sie immer etwas brauchte, und sie entgegnete, das Letzte, was sie brauchte, war seine Selbstherrlichkeit. Und dass sie was dagegen tun würde, wenn die Sache vorbei war und sie das Geld hatten.
    Zur Musik wippend tippte sie den Puder aus der Tüte, maß die Menge ab und legte sich die Linien zurecht. Dann rollte sie einen Geldschein und betrachtete die Linien. Die federleichten Puderkörnchen, die am Rand zu sehen waren. Ohne Substanz. Praktisch gewichtslos. Etwas so Wunderbares ausgelöst durch ein Nichts.

Fünftes Kapitel
    Fünfzehn Minuten entfernt vom Haus der Mullens, in dem wohlhabenden Vorort Stanmor, befand sich Butler’s Hall School. Seit fast hundert Jahren stand sie hier inmitten eines mehr als vierzig Hektar großen Parks.
    Holland las einen kurzen geschichtlichen Abriss in dem opulenten Schulprospekt, während er in einem Auto am Ende einer mehr als einen Kilometer langen Auffahrt wartete. Von den 2,50 Schülern – von denen die meisten von einer nahe gelegenen privaten Grundschule kamen – war beinahe ein Drittel im Internat untergebracht. Etwa vierzig Prozent der Schüler waren Mädchen. Diese waren als Oberstufenschülerinnen zum ersten Mal Anfang der achtziger Jahre zugelassen worden, und zehn Jahre später gab es nun Mädchen in allen Altersstufen.
    Kenny Parsons, der sich vor fünfzehn Minuten auf die Suche nach einer Toilette gemacht hatte, klopfte ans Fenster. Holland sah auf und kurbelte die Scheibe nach unten.
    »Wetten, dass jeder, der es sich leisten kann, seine Kinder hierher zu schicken, auch einen ordentlichen Batzen Lösegeld ausspucken kann«, sagte Parsons. »Die Kids hier könnten genauso gut mit einer Zielscheibe auf dem Rücken herumlaufen.«
    »Geht

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