Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
nicht«, sagte Holland und hob den Prospekt. »Die Regeln für die Schuluniform sind sehr streng.«
Parsons wandte sich zur Schule um. »Die haben für alles strenge Regeln.«
Holland stieg aus dem Auto und warf den Prospekt auf den Rücksitz. Er und Parsons machten sich auf den Weg zum Schulgebäude. »Unehrlichkeit entehrt mich«, sagte er.
»Was?«
»Das ist die Übersetzung aus dem Lateinischen. »Lügen ist schändlich« oder so ähnlich. Das Schulmotto.«
Parsons nickte geistesabwesend. »Die sechste Klasse Unterstufe sollte in einer Minute aus haben.«
Der Stundenplan war gestaffelt. Die Schüler der Ober- und Unterstufe hatten in Intervallen von zwanzig Minuten Schulschluss. Porter und drei Kollegen waren bereits in Zweierteams auf dem Schulgelände unterwegs, um in Anwesenheit von Lehrern oder Eltern mit Kindern aus der vierten und fünften Klasse zu reden. Als Holland und Parsons auf den Hauptausgang der Schule zumarschierten, trafen sie auf zwei weitere SO7-Beamte, die sich ihnen anschlossen. Sie liefen an einer Unmenge silberner und schwarzer Fahrzeuge vorbei: Porsche Cayennes, Volvos und BMW X5s. Einer der Beamten, ein schmächtiger Junge aus Essex mit unreiner Haut, hielt die Nase dicht an die getönte Scheibe eines Lexus, an dem sie vorbeikamen. »Was machen diese Leute bloß?«, sagte er.
Holland, Parsons und die anderen blieben auf dem Schulcampus stehen. Sie warteten vor einem riesigen Tor aus Holz, das aufsprang, als die ersten Schüler herausdrängten. Wie alle Beamten, die draußen ermitteln, waren die vier gut, aber nicht förmlich gekleidet: Khakis und Freizeitjacke, Poloshirt unter dem Anzug. Sie könnten Lehrer sein oder in ein, zwei Fällen Schüler ohne Schuluniform.
Parsons dachte noch immer über die Frage seines Kollegen nach, als die erste Schülerwelle sich herausschob, und rief ihm über deren Geschnatter hinweg zu: »Die wenigsten sind wohl Bullen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ihre Kinder Bullen werden.«
»Es gibt Plätze für Stipendiaten«, sagte Holland. »Nicht jeder hat einen Daddy, der Millionen mit Öl oder Fußball verdient hat.«
»Das ist richtig«, sagte der Junge aus Essex. »Aber nehmen wir doch mal Mullen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in Geld schwimmt. Es sei denn, er hat die Hand aufgehalten.«
Parsons sprach von der Pension, die ein DCI einstrich, und dass Mullen als Sicherheitsberater viel Kohle machte, aber Holland hörte nicht mehr zu. Er beobachtete zwei Mädchen um die fünfzehn. Sie steckten die Köpfe zusammen und flüsterten. Er dachte an Chloe. Auch wenn es bis dahin noch lange dauerte, er hätte nichts dagegen, wenn sie eine Schule wie diese besuchte. Er hätte allerdings sehr viel dagegen, wenn sie es sich je in den Kopf setzte, zur Polizei zu gehen.
Die Polizei hatte Butler’s Hall bereits letzten Montag einen Besuch abgestattet. Und am Tag darauf noch einmal jede Menge Aussagen aufgenommen. Aber es war verständlich, dass Barry Hignett unbedingt mit jedem sprechen wollte, der auch nur das Geringste wissen könnte. Zumindest so lange verständlich, bis die Leute, die Luke Mullen festhielten, der Polizei oder seinen Eltern klipp und klar sagten, was sie von ihnen wollten. Bis dahin blieb ihnen nichts anderes übrig.
Die Schüler waren in der Schule informiert worden. Man hatte ihnen erklärt, Luke Mullen werde vermisst und draußen warteten Polizeibeamte, mit denen sie reden könnten, falls sie der Meinung waren, sie hätten etwas zur Aufklärung beizutragen. Der Direktor hatte sich die größte Mühe gegeben, ihnen darzulegen, dass das Zurückhalten einer wichtigen Information mit Unehrlichkeit gleichzusetzen und somit ehrlos sei. Man legte ihnen dringend nahe, sämtliche Informationen über den Freitagnachmittag weiterzugeben, an dem Luke in das Auto gestiegen war, so trivial sie ihnen auch erscheinen mochten.
Der Junge aus Essex und sein Partner machten sich auf zum anderen Ende des Campus. Allerdings wurden weder sie noch Holland und Parsons von jungen Informanten bestürmt.
Die paar Schüler, mit denen Holland und Parsons sprachen, erzählten alle dieselbe Geschichte. Anscheinend hatten die Schulbuschtrommeln in den letzten Tagen rund um die Uhr gearbeitet. Es würde nicht leicht werden, die Fakten vom Hörensagen zu trennen.
Ein Junge versicherte Holland, Luke Mullen sei mit einer älteren Frau durchgebrannt, die total sexy gewesen sei. Mehrere Mädchen aus der sechsten Klasse schworen Stein und Bein, sie
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