Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
nicht viel zu holen. Seit der Explosion und der Diversifizierung des Handymarkts war jede Ermittlungsarbeit zum sinnlosen Unterfangen geworden. Prepaid-SIMs bekam man praktisch überall. Man konnte sich ein Handy mit allem Zubehör am Automaten kaufen, und sogar Handys, die bei einem bestimmten Betreiber registriert waren, konnte man für zehn Pfund in jedem Straßenmarkt freischalten lassen. Wer Handys für kriminelle Zwecke einsetzte, brauchte nur die grundlegendsten Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um sich abzusichern. Das Handy brachte die wenigsten in den Knast.
Die einzige Gefahr war das Aufspüren der Sendemasten, von denen das Signal ursprünglich gesendet wurde. Sobald man einen Sendemast geortet hatte, ließ sich der Bereich, von dem aus der Anruf getätigt wurde, auf eine Handvoll Straßen einengen. Und wenn es immer dieselben Masten waren, dann wusste man schnell, welche Verdächtigen man ins Visier nehmen musste und bei welchen man sich weitere Nachforschungen sparen konnte. Allerdings ein zeitaufwendiges und teures Unterfangen.
Als Thorne die Frage stellte, erklärte ihm Holland, der DCI habe in diesem Fall die Anfrage an die Telefongesellschaft nicht genehmigt. Thornes Reaktion fiel entsprechend grob aus, andererseits war die Argumentation hinter dieser Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Die Telefongesellschaften verlangten für eine solche Anfrage bis zu tausend Pfund, und das war zu viel für das Foto eines Mordopfers.
»Und wo hat er es gekauft?«, fragte Thorne. Wenn sie zurückverfolgen konnten, wo er das Handy gekauft hatte - in welcher Gegend oder in welchem Laden -, fanden sie vielleicht in den Aufnahmen der Videoüberwachung ein Bild des Gesuchten. Sosehr Handys der Polizei das Leben schwer machten, so war die allgegenwärtige Videoüberwachung zum besten Freund des Bullen avanciert. Als Bürger der am besten überwachten Nation Europas - in der auf vierzehn Leute eine Kamera kam - wurde der durchschnittliche Londoner dreihundertmal täglich auf Video erfasst.
»Es handelt sich um ein Handy von Carphone Warehouse«, sagte Holland.
»Ist das gut?«
»Raten Sie mal. Dieser dämliche DC bei der Telephone Unit behauptet, deren Handys kann man nur bis zu dem Lagerhaus verfolgen, aus dem sie kommen. Bei einem anderen Handy hätten wir unseren Mann kriegen können, aber mit den Aufzeichnungen der Einzelhändler kommt man nicht weiter.«
»Fuck …«
»Ich glaube, bei dem Handy brennt für ihn nichts an. Keine Ahnung, woher er das alles weiß. Es sei denn, er arbeitet für eine Telefongesellschaft. Oder er ist einer dieser Irren, mit denen ich mich heute Vormittag herumgeschlagen habe.«
»Danke, Dave.«
»Ich bleib dran«, sagte Holland. »Vielleicht haben wir Glück.«
Thorne nickte, aber er war in Gedanken bereits weiter. Bei dem Kern der Nachricht, die er erhalten hatte. Was bedeutete sie?
Ging es um eine Warnung? Eine Einladung? Eine Herausforderung?
Sollten die Bonzen oben je das Motto ändern wollen, er hätte das perfekte Nachfolgemotto. Eines, das den Job genauer auf den Punkt brachte. Thorne betrachtete das Papier mit dem matten blauen Briefkopf auf seinem Schreibtisch und stellte sich eine Zukunft vor, in der sämtliches Promomaterial der Metropolitan Police einen neuen Slogan trug.
Vielleicht haben wir Glück.
Drittes Kapitel
»Das hat jeder.« Der Verkäufer drückte Thorne das silberglitzernde Stück in die Hand. »Die Promis in GQ und den ganzen Zeitungen, die haben alle so eines. Wir haben die auch in Schwarz, aber Silber ist echt geil …«
Das Handy war nicht größer als eine Kreditkarte. Thorne starrte auf die winzigen Tasten. Mit seinen knubbligen Fingern drückte er da jedes Mal drei gleichzeitig. »Ich fürchte, ich brauch etwas nicht ganz so Zierliches«, sagte er. »Eines, das scheppert, wenn es aus der Tasche fällt.«
Der Verkäufer, der laut Schild auf den Namen Parv hörte, war ein mondgesichtiger Pakistani mit nach oben gegeltem Haar. Er rieb sich den Kugelbauch durch das Polohemd hindurch, das ihm ein paar Nummern zu klein war und auf dem das Logo des Ladens eingestickt war. »Okay, wie wär’s mit einem 3G? Die haben größere Tasten. Man kann damit seine E-Mail erledigen, im Internet surfen, alles Mögliche.« Der Junge nickte verständnisvoll, als er etwas wie Interesse in den Augen seines Kunden aufblitzen sah. »Und natürlich mit einem schnellen Zugang. Plus Live-Videostreaming, Videotelefonie, was immer Sie wollen.«
»Ich kenn niemanden,
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