Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
keinen Steuerhinterzieher überführen, auch wenn sein Leben davon abhinge, aber in Sachen aufrichtige Empörung war er echt gut.
»Sie muss ihn gekannt haben«, sagte Thorne. »Er muss sie beobachtet haben. Sie kannte ihn vom Sehen, hat mit ihm geredet, so was.«
Brigstocke nickte. »Unsere Leute sollen jeden einzelnen Laden abklappern, in dem sie einkaufte. Das Fitnessstudio,
in dem sie war. Schaut euch die Freunde und Kollegen an. Befragt noch mal sämtliche Nachbarn.«
»Phil meint, er war vorbereitet.« Thorne griff nach dem Autopsiebericht, den Phil Hendricks am Nachmittag zuvor abgeliefert hatte, und blätterte ihn durch. »Ich hab das Gefühl, das mit der ›Vorbereitung‹ lief schon länger.«
Brigstocke stöhnte. »Wie lange mach ich diesen Scheißjob schon? Und noch immer deprimiert es mich, wenn ich so was höre.« Er stand auf und gab Thornes Schreibtisch frei, um ans Fenster zu treten. »Damit meine ich nicht, dass ich es besser fände, wenn ihr Alter sie beim Auswärtsspiel erwischt und ihr was über den Kopf gezogen hätte. Mir ist klar, dann wäre sie genauso tot. Aber mein Gott …«
»Das sollte einen auch deprimieren«, sagte Thorne. »Wenn es das nicht mehr tut …«
»Ich weiß, dann ist es Zeit, sich zur Ruhe zu setzen.«
»Dann wird man zu Trevor Jesmond.«
Brigstocke grinste. Er griff nach dem Blatt, das der Drucker ausgespuckt hatte, als er gekommen war, und warf einen Blick auf die sieben Namen. »Sollten wir uns darum kümmern?«
»Ich seh eigentlich nicht, warum«, sagte Thorne. »Garvey starb vor drei Jahren im Gefängnis.«
Brigstocke wedelte mit dem Blatt, als brauche er frische Luft. »Nur einer dieser irren Zufälle.«
Der DCI nickte, er sah es genauso. Sie hatten beide vor ein paar Monaten an einem Fall gearbeitet, in dem ein Mann vor den Augen seiner Familie totgeprügelt wurde, nachdem er einen lauten Nachbarn zur Rede gestellt hatte. Es stellte sich heraus, dass dem Vater des Opfers zwanzig Jahre vorher und nur zwei Straßen entfernt genau dasselbe passiert war.
»Einer von vielen«, sagte Thorne.
Nachdem die Besprechung um zwanzig Minuten überzogen wurde und der Staatsanwalt nicht dazu zu bewegen war, aus der Leitung zu gehen, wäre es für Thorne schwierig geworden, es in der Mittagspause zu Louise zu schaffen. Aber als es so weit war, spielte es keine Rolle mehr. Louise hatte ihn bereits angerufen, um ihm zu sagen, dass sie selbst in die Wohnung zurückgefahren war. Dass es ihr gut ging und dass sie einfach aus der Klinik rausmusste.
Auf dem Weg nach Hause war Thorne nervös, als hätte er mit Louise gestritten. Er ging im Kopf durch, wie wohl das Gespräch verlaufen würde, doch als er durch die Tür in die ruhige Wohnung trat, war alles wie weggeblasen, als er sie zusammengerollt in dem abgedunkelten Schlafzimmer liegen sah.
»Schon in Ordnung«, sagte sie. »Ich schlaf nicht.«
Es war erst acht Uhr, aber Thorne zog sich aus und legte sich neben sie. Sie lagen eine Weile ganz ruhig nebeneinander und lauschten dem Aufheulen eines Motorrads auf der Straße und einem Lied in der Wohnung über ihnen, das Thorne nicht richtig einordnen konnte.
»Kannst du dich an die Garvey-Morde erinnern?«, fragte er.
Sie brummte kurz, und er fürchtete schon, er habe sie aufgeweckt. Dann sagte sie: »Damals war ich noch im College, glaub ich. Warum?«
Thorne erzählte ihr von Susan Sharpe und dass Mutter und Tochter im Abstand von fünfzehn Jahren ermordet worden waren. Inzwischen war oben nichts mehr zu hören, und Thorne wusste immer noch nicht, welcher Song das gewesen war.
»Du machst es schon wieder«, sagte Louise. »Du willst schon wieder, dass ich mich besser fühle.«
»Nein, das stimmt nicht, ich schwör’s.«
»Und alles, was du damit erreichst, ist, dass du dich alt fühlst.«
Thorne lachte auf, das erste Mal seit Tagen. Er kuschelte sich von hinten an sie und legte ihr den Arm um den Bauch. Nach ein paar Sekunden fühlte er sich merkwürdig. Er war sich nicht sicher, ob ihr das recht war, und zog den Arm wieder zurück.
Fünftes Kapitel
Durch das System aus Wochenenddienst und freien Tagen verbrachte Thorne in der Regel sieben von acht Samstagen zu Hause. Normalerweise schlief er dann lange, verschwand kurz, um die Zeitung zu holen, und gönnte sich ein phantastisch ungesundes Frühstück. Seit Louise in sein Leben getreten war, war er dabei nicht mehr auf sich gestellt, was Gott sei Dank auch für Sex galt, für den sich gelegentlich zwischen der
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