Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Frühstückspfanne und Football Focus noch etwas Zeit fand.
An diesem Samstag, zwei Tage nach Emily Walkers Ermordung, wurden Ruhetage gestrichen, und den Abbau von Überstunden musste man sich genehmigen lassen. Thorne saß in seinem Büro im Becke House und las weder Aussagen noch die vor ihm liegenden Berichte. Stattdessen dachte er darüber nach, ob Sex nun in weite Ferne gerückt war.
Wann konnte man etwas in dieser Richtung wieder andeuten? Was für ein egoistischer Mistkerl war er eigentlich, dass er überhaupt an so was dachte?
Er sah zu dem anderen Schreibtisch, an dem Yvonne Kitson entschieden härter arbeitete als er. Man hatte sie von einem Fall häuslicher Gewalt mit tödlichem Ausgang abgezogen, der so gut wie in trockenen Tüchern war, um die Spitze des Ermittlungsteams in diesem Fall zu stärken. Thorne war froh, sie mit an Bord zu haben. Kitson gehörte zu den besten Leuten, die sie hatten, was in Anbetracht der
Umstände in der Vergangenheit wie Gegenwart nur umso beeindruckender war. Über mehrere Jahre hatte sie ihre zwei Kinder allein großgezogen, nachdem ihre Ehe an einer Affäre mit einem Vorgesetzten zerbrochen war. Diese Affäre, die ziemliche Wellen schlug, hatte auch ihre bislang steile Karriere abrupt beendet.
Sie spürte Thornes Blick und sah auf. Dann wandte sie sich wieder ihrem Bericht zu und blätterte um. »Was gibt’s?«
Vor langer Zeit, als sie beide eine längere sexuelle Flaute hatten und nicht klar war, wer von beiden betrunkener war, hatte es den Anflug einer Beziehung gegeben, aber darüber waren sie schon lange hinweg.
»Samstag«, sagte Thorne.
»Vergiss das blöde Tottenhamspiel oder einen Vormittag im Bett mit Louise oder was immer du zu verpassen glaubst«, spöttelte Kitson. »Hier gibt’s Leute, die sollten ihren Söhnen beim Rugby zusehen. Um das gutzumachen, kann ich den Taxidienst noch weiter ausbauen.«
Einen Moment lang überlegte Thorne, ob er ihr von der Sache mit Louise erzählen sollte, um die weibliche Perspektive kennenzulernen. Doch dann lächelte er nur und wandte sich wieder den vor ihm liegenden Berichten zu.
Eine Minute später prallte ein Papierball auf seinem Schreibtisch auf und fiel zu Boden. Er bückte sich, um ihn aufzuheben, und schaute zu Kitson. Die zuckte nur die Achseln, als habe sie nichts damit zu tun.
Thorne strich das Blatt glatt, das sich als Mitteilung entpuppte. Das gesamte Team war aufgefordert, zu einer Besprechung in die Einsatzzentrale zu kommen. Das elektronische Fahndungsfoto war auf große Aufmerksamkeit in der Bevölkerung gestoßen, und während sich das Pressebüro
mit dem verständlichen Medieninteresse befasste, waren die aus der Bevölkerung eingehenden Informationen Sache des Teams. Dabei hatten Thorne und Brigstocke offensichtlich unterschätzt, in welchem Ausmaß das Fahndungsfoto die am Wohl der Gemeinschaft ach so interessierten Irren der Stadt inspirieren würde.
»Ich hätte nichts dagegen reinzugehen«, sagte Kitson mit einem Blick auf das Blatt, »wenn ich mich nicht den ganzen Vormittag mit diesem Mist hier rumschlagen müsste.«
»Muss aber gemacht werden«, sagte Thorne.
Das war ihnen allen klar. Jeder im Team riss ständig Witze über die Bürokratie und den Papierkram, und in neunundneunzig Prozent der Fälle kam bei einem so zweifelhaften Fahndungsfoto, wie sie es hatten, nichts heraus. Trotzdem musste jeder Hinweis zwei- und dreimal überprüft werden. Niemand wollte derjenige sein, der bei all den durchgeknallten Anrufen das entscheidende Puzzleteil übersehen hatte. Die Stecknadel im Misthaufen. In einem Zeitalter, in dem die Ermittlung nach der Ermittlung üblich geworden war, brachte jeder seinen Hintern in Sicherheit. Das fing an, bevor das Opfer kalt war, und hielt an, bis der Hammer des Richters fiel.
Gezickt und gejammert wurde aber trotzdem.
»Nicht ein Name, der öfter als ein Mal vorkommt«, sagte Kitson.
»Du irrst dich.« Thorne fuhr mit dem Finger über die Liste, hielt inne, um Holland hereinzuwinken, als er ihn an der Tür sah. »Drei verschiedene Leute haben angerufen, um uns zu sagen, dass der Gesuchte sie an den Typen erinnert, dem die Autowerkstatt in East Enders gehört.«
»Den sollten wir so oder so einsperren«, meinte Kitson, »wegen Verbrechens gegen die Schauspielkunst.«
Thorne sah zu Holland.
»Hatte einen Anruf, der Sie vielleicht interessiert«, sagte Holland.
»Sagen Sie’s mir nicht. Der Mörder sieht aus wie jemand aus Coronation Street.«
Holland
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