Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Sie sagte: »Ich möchte darüber reden, was passiert ist, weißt du. Ich finde, das sollten wir.«
»Wir haben darüber geredet.«
»Nein, das haben wir nicht. Nicht über unsere Gefühle.« Sie lächelte. »Es war ohrenbetäubend, um die Wahrheit zu sagen.«
»Was?«
»Wie du um den heißen Brei getanzt bist …«
Thorne starrte auf den Fernseher.
»Und wie geht es dir dabei?«, fragte sie ihn.
»Ich weiß es nicht«, sagte Thorne. »Wie man es erwartet. Ich bin durcheinander.«
»Du redest nicht darüber.«
Thorne war es plötzlich zu warm. »Ich glaube, ich hatte nicht genug Zeit, es zu verarbeiten.«
»Gut. Okay. Versteh ich.«
Sie sahen noch eine Weile fern, bevor sie zu Bett gingen.
Sie kuschelten sich eng aneinander, und als Louise einschlief, las Thorne noch ein paar Kapitel in einem der Bücher über wahre Kriminalfälle, die er bestellt hatte.
Raymond Garvey war als Kind Fan von Crystal Palace gewesen und hatte Kaninchen gehalten. Er hatte gerne an Motorrädern herumgebastelt und sein erstes Opfer mit einem Ziegelstein erschlagen.
Als Thorne das Licht ausschaltete, sich auf die Seite drehte und Louise sich mit ihm umdrehte und an seinen Rücken schmiegte, stiegen die Schuldgefühle wie Sodbrennen auf.
Vierzehntes Kapitel
Her Majesty’s Gefängnis Whitemoore
»Ich fass es nicht, wie schwer sie es einem machen, hier reinzukommen.«
»Es ist noch viel schwerer rauszukommen.«
»Sie nehmen einem alles ab und durchsuchen es. Diese vielen Türen, durch die man muss.«
»Damit man nichts reinschmuggelt.«
»Was denn?«
»Hauptsächlich Zigaretten. Drogen. Klappt aber trotzdem immer wieder.«
»Okay.«
»Entschuldige, dass ich dich so anstarre. Ich kann einfach nicht glauben, dass du wirklich hier bist.«
»Hast du mir nicht geglaubt, als ich dir gesagt habe, dass ich komme?«
»Es ist einfach so unerwartet, verstehst du? Ich hab nie damit gerechnet … Ich hab nie gedacht, dass du das herausfindest.«
»Das sollte ich auch nicht. Niemand wollte, dass ich es weiß.«
»Also wie …?«
»Da waren ein paar alte Briefe auf dem Dachboden, offizielle Sachen, im Haus meiner Tante. Ich hab sie danach gefragt, und sie fing an zu weinen. Da wusste ich, dass es stimmt.«
»Und wie hast du dich gefühlt, als du es herausgefunden hast?«
»Ich war so was von sauer. Auf sie, mein ich, auf Mum, weil sie nichts gesagt hat.«
»Mir hat sie es auch nicht gesagt. Das mit dir.«
»Ich weiß. Ich hab den Brief gefunden, den du meiner Tante geschrieben hast. Ich weiß, warum du das getan hast, was du getan hast.«
»Mein Gott …«
»Es ist okay, wirklich. Ich weiß, was das in dir ausgelöst hat, Mann …«
»Es ist nicht okay.«
»Ich glaube, ich hätte es genauso gemacht.«
»Ich hab immer gedacht, du würdest mich verabscheuen. Deshalb hab ich nie versucht, Kontakt mit dir aufzunehmen.«
»Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, sagte sie, du wärst tot. Mein ›Vater‹ sei tot. Er wär Ingenieur gewesen. Wie konnte sie so was machen?«
»Ich war Ingenieur. Bei der British Telecom. Bevor …«
»Es tut mir nicht leid, dass sie tot ist, keine Angst.«
»Du siehst anders aus als auf den Fotos, die du geschickt hast.«
»Mein Gott, die sind uralt. Aus der Zeit, als ich noch in die Schule ging. Ich schick dir ein paar neuere, wenn du willst.«
»Du gehst nicht mehr zur Schule?«
»Was bringt denn das?«
»Solange es nichts mit mir zu tun hat, ich meine, mit der Sache, wer ich bin. Wenn du vor dem Abschluss stehst, wär’s wohl besser, du machst ihn.«
»Du siehst auch anders aus. Ich hab ein paar Fotos im Internet
gefunden, in alten Zeitungen. Das eine Bild, das in allen Büchern drin ist.«
»Hier drinnen nimmt jeder zu. Ich hab nicht so viel Bewegung wie andere Häftlinge … normale Häftlinge.«
»Das ist echt unfair.«
»Leute wie uns halten sie fern von den anderen. Ehemalige Bullen, Kinderschänder, solche Leute.«
»Solche Leute - dazu gehörst du nicht.«
»Ist schon gut, ich bin daran gewöhnt.«
»Warum lachst du?«
»Ist irgendwie komisch, sie hat mir nie von dir erzählt. Und dann gibt sie dir meinen zweiten Vornamen.«
»Das hat sie nicht getan. Sie hat mir einen absolut blöden Namen gegeben. Ich hab ihn sofort geändert, als ich diese Briefe gefunden habe. Nicht auf dem Amt oder so, aber das krieg ich wahrscheinlich auch noch hin.«
»Ist deine Sache.«
»Spielt keine Rolle. Ab jetzt bin ich Anthony, egal, was kommt.«
»Klingt gut.«
»Deinen
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