Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Street, damit sie in der Sonne laufen konnten. Er erzählte ihr von der Suche nach den drei bislang unauffindbaren Söhnen von Raymond Garveys Opfern und von Pavesh Kambars Telefonanruf. Thorne hatte recherchiert und herausgefunden, dass Nicholas Maier ein Buch über den Garvey-Fall geschrieben hatte, das ein Jahr vor Garveys Tod veröffentlicht wurde. Auf dem Weg zur U-Bahn hatte er sich im Waterstone’s in Camden eine Ausgabe von »Erschlagen - Die Raymond-Garvey-Morde« besorgt. Auf den ersten Blick unterschied es sich kaum von den Büchern, die er online bestellt hatte. Dieselben Fotos, derselbe aufreizende Klappentext. Er zog das Buch aus der Tüte und zeigte es Chamberlain.
»Wann treffen Sie ihn?«, fragte sie.
»Am Montag«, sagte Thorne. »Er beantwortete meine E-Mail von seiner ›Vortragsreise‹ in Amerika. Morgen kommt er zurück.«
Chamberlain schnitt eine Grimasse.
»Ich weiß. Solchen Blödsinn unterrichten sie in den Universitäten drüben. Serienmörder hunderteins, in der Richtung. Meinte in seiner E-Mail, damit sei der nächste Urlaub finanziert. Und dass er sich freuen würde, mich kennenzulernen.«
»Gefällt mir irgendwie nicht.«
Thorne lachte, ihm war klar, was sie meinte. Ihm war jeder verdächtig, der sich übermäßig über einen Polizisten zu freuen schien. Es war nicht sein Job, beliebt zu sein.
»Ich meine, ich kenne Sie«, sagte Chamberlain, »und nicht mal ich freue mich, Sie zu sehen.«
Sie gingen zurück über die Straße und hinüber zum Soho Square. Obwohl es nicht gerade warm war, saßen die Menschen
auf den Bänken oder lagen mit einem Buch auf dem Rasen. Sie setzten sich neben einen Fahrradkurier auf die Bank, der gerade ein Sandwich verzehrte. Er stand auf und machte sich auf den Weg, bevor er den letzten Bissen geschluckt hatte.
»Und was tun Sie jetzt?«, fragte Chamberlain.
»Wir müssen rausfinden, woher dieser Kerl kommt. Sieht aus, als wäre er Garveys Sohn, daher bietet es sich an, erst mal nach seiner Mutter zu suchen. Hat nicht den Anschein, als ob sie mit Garvey Kontakt gehabt hätte.«
Chamberlain hielt noch immer das Buch in der Hand. Sie hob es hoch. »Warum fragen Sie nicht Ihren neuen Busenfreund?«
Thorne nahm das Buch zurück. »Ich hab’s überflogen, der Sohn scheint darin nicht vorzukommen. Ich denke, Anthony Garvey nahm erst nach dem Tod seines Vaters Kontakt mit ihm auf.«
»Glauben Sie, er will, dass Maier ein neues Buch schreibt? Auf diese Gehirntumorsache eingeht?«
»Das erfahre ich am Montag«, sagte Thorne. »Inzwischen können Sie Ihre Fühler ausstrecken und versuchen, etwas herauszufinden. Nach den Beschreibungen ist er etwa dreißig Jahre alt. Also müsste er fünfzehn Jahre vor den ersten Morden Garveys geboren worden sein. Sind Sie dabei?«
Chamberlain nickte. »Entweder das oder Gartenarbeit? Eine schwere Entscheidung.«
»Haben Sie denn bei AMRU zu wenig zu tun?«
»Ich und ein Hypnotherapeut, das wär zu teuer.«
»Sorry?«
»Die da oben hielten es für eine gute Idee, es bei ein paar Zeugen mit Regressionstherapie zu versuchen, um zu sehen, an was sie sich erinnern.«
»Okay, ›Ich glaube, ich war Marie Antoinette‹, diese Chose.«
»Sie glauben, dieser Kerl habe eine Zeugin dazu gebracht, sich an ein Autokennzeichen zu erinnern, das sie vergessen hatte. Keine Ahnung …«
»Du lieber Himmel.« Thorne kam nie darüber hinweg, wofür Leute Geld und Energie vergeudeten, um einen Coup zu landen. »Ganz schön hart, wenn man wegen Paul McKenna von einem Fall abgezogen wird.«
Chamberlain schmunzelte. Eine Weile saßen sie einfach nur da und sahen zu, was sich tat. Ein klapperdürrer Teenager lief von einem Grüppchen auf dem Rasen zum nächsten und schnorrte die Leute um Geld an. Wenn er nichts bekam, sah er sie böse an. Ein schlimmer Finger. Er schaute zu Thorne, nahm aber davon Abstand, sein Glück bei ihm zu versuchen.
»Jemand, der sich definitiv nicht freut, Sie zu sehen«, bemerkte Chamberlain.
Sie erkundigte sich nach der Suche nach Andrew Dowd, Simon Walsh und Graham Fowler und warum man nicht die Presse einschaltete. Thorne erzählte ihr, was Brigstocke über Prioritäten gesagt hatte, und dass ihre Priorität sei, den Täter zu fassen. Und von Kitsons Theorie, dass man Debbie Mitchell als Köder benutzte.
»Mich überrascht nichts«, sagte Chamberlain. »Nur das Ergebnis zählt, oder?«
»Wenn Sie nicht aufpassen, wird Ihnen das Ergebnis gar nicht gefallen«, sagte Thorne. Er erklärte, dass sie alle
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