Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Gothmädchen an einem Tisch saß, sie mit Blicken durchbohrte, weil sie quatschten, statt zu spielen. »Von mir aus können sie so viel über Ray Garvey lesen, wie sie wollen«, sagte Thorne. Er dachte an das Gespräch mit Carol Chamberlain. »Gründe spielen hier keine Rolle. Von seinen Karnickeln hat er keines umgebracht.«
Als Hendricks fertig war, trat der Junge mit den hochgegelten Haaren vor und nahm seine Münzen vom Pooltisch. Hendricks legte seinen Queue weg, sagte zu dem Jungen, er mache eine Pause, und folgte Thorne zurück zum Tisch. Womit der Nächste spielen konnte.
»Vielleicht ist was dran an dieser Tumorsache? Von wegen Persönlichkeitsveränderung.«
»Kambar bestreitet das.«
»Rein hypothetisch«, sagte Hendricks.
»Es ist Quatsch.«
»Angenommen man hat einen schweren Tick oder so, wodurch man um sich schlägt.«
»Jetzt bist du aber endgültig im Wald.«
»Du triffst jemanden in einer rappelvollen Bar. Der Typ hat einen Schädelbruch und stirbt an einer Gehirnblutung. Dafür kannst du doch nichts?«
»Das kann man nicht vergleichen.«
»Ich weiß, ich sag ja nur. Es wäre … juristisch interessant.«
»Wenn du mit ›juristisch interessant‹ meinst, dass eine Menge Anwälte damit eine Menge Geld verdienen, dann wahrscheinlich ja. Als ob sie uns das Leben nicht eh schon schwer genug machen.« Thorne trank einen Schluck und sah eine halbe Minute bei der nächsten Partie zu. »Wie gesagt, Kambar hält es für Blödsinn.«
»Na ja, er ist der Fachmann«, sagte Hendricks.
Der gegelte Junge räumte den Tisch ab. Der Rugbyspieler kam und bekam den Queue vom Verlierer. Er warf wortlos sein Geld ein.
»Und wenn was dran wäre. Garveys Sohn hat keinen Tumor.«
»Vielleicht glaubt er, er hat einen«, meinte Hendricks.
»Wie bitte?«
»Eine ganze Reihe von Untersuchungen deuten darauf hin, dass einige der Faktoren, die die Entwicklung eines Tumors begünstigen, erblich bedingt sind.«
»Du verarschst mich.«
Hendricks schüttelte den Kopf und trank sein Bier aus. »Allerdings gibt es auch eine Studie, nach der Linkshändigkeit ein Faktor sein könnte …«
»Das fehlt gerade noch«, warf Thorne ein, »dass so ein schleimiger Anwalt beantragt, die Mordanklage gegen seinen Klienten fallenzulassen, weil er sich mit der falschen Hand den Hintern putzt.«
Hendricks holte eine weitere Runde, nachdem er darauf bestanden hatte, dass Thorne das Geld rausrückt, das er gerade gewonnen hatte. Sie teilten sich Chips und Schweineschwarten und sahen zu, wie der Rugbyspieler zwei Bälle hintereinander versenkte.
»Ich war mal ein guter Spieler«, sagte Thorne.
»Bei dir ist der Dampf raus, Kumpel. Das kommt vom häuslichen Glück.«
Das war die erste Bemerkung, die man auch nur entfernt mit Louise in Zusammenhang bringen konnte. Hendricks hatte den Nachmittag mit ihr verbracht, war vormittags mit ihr durch die Läden in Hampstead und Highgate gezogen. Thorne war mit Maiers Buch und Five Live im Radio zu Hause geblieben. Die Spurs hatten wegen eines unnötigen Elfmeters in letzter Minute verloren, und es war nur ein schwacher Trost, dass er auf Yvonne Kitsons Anrufbeantworter die Nachricht hinterlassen konnte, wie klug es doch gewesen sei, nicht zu wetten.
»War’s nett mit Lou?«, fragte Thorne.
Hendricks sah ihn mit großen Augen an. »Hast du Lou nicht gefragt?«
»Doch, sie hat gesagt, es wär nett gewesen.«
»Also warum …?«
»Wir hatten keine Gelegenheit, uns groß zu unterhalten, als sie zurückkam, weißt du. Nur ganz kurz. Sie hat gesagt, sie sei müde und wolle sich nur noch hinlegen.«
»Wir sind ziemlich viel gelaufen«, sagte Hendricks.
»Wie ist sie drauf?«
Wieder sah Hendricks ihn fragend an.
»Mein Gott.« Thorne stellte sein beinah leeres Glas laut krachend auf den Tisch. »Ich glaub es nicht, da sitz ich hier und frag dich, wie Lou drauf ist.«
»Musst du nicht. Du kannst ja was echt Verrücktes tun und sie selbst fragen.«
»Hab ich.«
»Und …?«
»Sie sagt, dass es ihr gut geht, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es ihr abnehmen soll. Die Frau im Büro, die jetzt schwanger ist, das muss sie doch ins Mark getroffen haben. Doch sie tut so, als ob es ihr nicht viel ausmachte.«
»Vielleicht macht es ihr nicht viel aus«, sagte Hendricks. »Lou ist zäh, das solltest du ja wissen.«
»Ich bin total verunsichert.« Thorne trank sein Bier aus. »Was meinst du, Phil?«
»Ich meine, es ist erst etwa eine Woche her. Ich meine, dass sie etwas Abstand braucht.
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