Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
schreiben?«
»Na ja, ich suchte mir natürlich einen Verleger. Niemals traf der Satz ›Sie rissen sich darum‹ mehr zu. Sie waren nur zu glücklich, das Honorar vorzuschießen.«
»Honorar?«
»Anthony wollte vierzigtausend Pfund für die Story. Für die Briefe seines Vaters aus dem Gefängnis, die Interviews mit ihm, all das. Natürlich alles etwas sehr voreilig, da Doktor Kambar nicht mitspielen wollte. Er ging nicht einmal so weit zu sagen, der Tumor könnte zu einer Persönlichkeitsveränderung bei Garvey geführt haben. Ohne medizinischen Beweis waren uns die Hände gebunden. Danach fiel die Sache schnell auseinander und, das brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen, bei den Verlegern war ich erst mal unten durch.«
»Das tut mir leid für Sie.« Thorne gab sich größte Mühe, glaubhaft zu wirken.
Maier zuckte die Achseln. »Eine Weile lang musste ich mich als Ghostwriter durchbringen. Hab übrigens ein paar Biographien für Kriminalbeamte geschrieben. Jeder hat da ein, zwei Geschichten auf Lager. Sie wahrscheinlich ein paar mehr, Inspector.«
»Haben Sie nicht daran gedacht, zuerst mit Kambar zu sprechen, bevor Sie das Geld rausrücken?«
Wieder ein Achselzucken. »Es war ja nicht mein Geld, oder? Außerdem mussten wir das Eisen schmieden, solange es heiß war. Er hätte sich genauso jemand anders suchen können.«
Thorne sah eine Chance. »Ich vermute, Sie zahlten das Geld auf ein Konto ein?«
»Leider nicht. Es ging bar über die Bühne.«
»Was? Benutzte Banknoten in einer braunen Papiertüte?«
»Einer Tasche, um genau zu sein. Im Ticketbüro in der Paddington Station. Wenn Sie mich fragen: Ich glaube, der Verleger fand die Räuberromantik ganz toll. Außerdem war uns allen klar, dass das die beste Werbung fürs Buch wäre - die Fotos von der illegalen Übergabe, der schattenhafte Umriss des Sohnes eines Massenmörders, all das eben.«
»Es gibt Fotos?«
»Sie schickten einen Fotografen mit, ja, der sich unter die Fahrgäste mischte. Ich hab sie irgendwo oben im Büro, wenn Sie einen Blick drauf werfen möchten.«
»Könnten Sie …?«
»Ja, natürlich.« Maier stand auf und ging zur Tür. Er lächelte, als er an Thorne vorbeikam. »Ich hab sie rausgesucht, bevor Sie kamen.«
Thorne sagte nichts darauf.
»Erwarten Sie aber nicht zu viel. Das Geld wurde nicht von Anthony Garvey abgeholt.«
Holland wartete, bis Maier draußen war. »Er findet sich toll, oder?«
»Wenn er die Fotos schon rausgesucht hat«, sagte Thorne, »dann wusste er, warum wir ihn sprechen wollten.«
»Haben Sie ihm was gesagt?«
Thorne schüttelte den Kopf. »Ich hab nur gesagt, wir hätten ein paar Fragen an ihn in beruflicher Hinsicht. Es gehe um eine laufende Ermittlung. Die übliche Scheiße eben.«
Sie bedienten sich noch mal bei den Keksen, während sie auf Maier warteten. Als er zurückkam, sagte er: »Wir konnten natürlich nichts tun während der Übergabe. Wie gesagt, ich wollte nicht, dass er zu jemand anders rennt. Dass ich ihn später fragte, wer das Mädchen war, versteht sich von selbst.«
Thorne nahm die Fotos, die Maier in der Hand hielt. Schwarz-Weiß-Fotos, 18 mal 24 Zentimeter. Eine Frau Anfang zwanzig, Jeans und wattierte Jacke. Sie wirkte ausgesprochen nervös. Der Fotograf hatte sie voll erwischt, als sie sich umblickte und zu der Tasche ging, die am Tresen zurückgelassen worden war. Die nächsten Fotos: noch mal ein Blick über die Schulter, ob auch niemand sie beobachtete; wie sie sich nach der Tasche bückte; das Profil, als sie zum Ausgang ging.
»Und wer ist sie seiner Aussage nach?«, fragte Thorne.
Maier stand hinter dem Stuhl und sah über Thornes Schulter auf die Fotos. »Ein Mädchen, mit dem er sich traf. Er sagte, er hätte ihr hundert Pfund dafür bezahlt, dass sie die Tasche abholte, da er mit einer ›Überwachung‹ gerechnet habe und lieber anonym bleiben wollte. Ärgerlich, aber ich war nicht allzu sehr enttäuscht. Die Aufnahmen konnte man trotzdem verwenden. Ich fragte ihn nach dem Namen des Mädchens, und er meinte, das sei unwichtig. Sie sei bereits aus dem Rennen.«
Thorne reichte Holland die Fotos. »Was geschah, nachdem Sie mit Kambar nicht weiterkamen?«
Maier ging zu seinem Sessel. »Es war uns klar, dass das die zweitbeste Lösung war, trotzdem wandten wir uns an
andere Neurologen. Die Antwort fiel mehr oder weniger gleich aus. Wir bekamen keine … Bestätigung. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als Anthony zu sagen, dass der Verleger das Projekt
Weitere Kostenlose Bücher