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Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten

Titel: Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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aber sie konnte sich noch genau an den brennenden Wunsch erinnern, etwas nach ihrer Schwester zu werfen, einen dieser hübschen, teuren Teller auf die Granitarbeitsfläche zu schmettern. »Ich bin doch nicht blöd und versuch jetzt, alles wieder einzurenken.«
    »Genau das meine ich«, sagte Deering. »Alles ist … extrem.«
    »Am wütendsten bin ich auf Paul.«
    »Ich weiß.«
    » Richtig wütend.«
    »Die Gefühle sind außer Rand und Band.«
    Helen nickte und dachte bei sich: Noch immer keine Tränen. Und das sagte sie dann.
    »Auch das ist normal. Ich meine, in so einer Situation gibt es so was wie ›normal‹ nicht. Es gibt keine … Schablone für Kummer, verstehen Sie?« Er nestelte wieder an seinem Knopf. »Ich hatte eine totale Wut auf mich selbst.«

    »Oh. Wen haben Sie verloren?«
    »Meine Frau.« Deering lächelte. »Ein Gehirntumor. Vor achtzehn Monaten.«
    Helen sah ihn an. Plötzlich ergaben seine Aufmerksamkeiten und seine Fürsorglichkeit einen Sinn. Sie öffnete den Mund, suchte nach den richtigen Worten, aber Deering ersparte ihr die Mühe.
    »Sie litt schon immer unter Kopfschmerzen, diese Anfälle legten sie zwei-, dreimal die Woche flach.« Er wies auf eine Stelle über dem rechten Ohr. »Wir nannten sie Migräneattacken, und Sally war nicht eine von denen, die bei jedem Problem zum Arzt rennen. Als ich sie endlich so weit hatte, hatte sie nur noch ein paar Monate zu leben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich hätte mich durchsetzen sollen.«
    »Seien Sie nicht albern.« Er zuckte die Schultern und beugte sich vor, schob die leeren Tassen an den Rand. Er steckte in jede einen schmutzigen Löffel und stellte sie so, dass die Griffe parallel ausgerichtet waren. »Und wie ging es Ihnen? Danach?«
    Er schürzte die Lippen und atmete aus, als wisse er nicht, wo er anfangen sollte. »Ich musste einfach mit Leuten reden, die sie kannten. Mit jedem , der sie kannte. Ich wollte Dinge über sie hören, die ich nicht wusste. Geschichten, an die sich die Leute erinnerten. Ich glaube, ich wollte mir einen richtigen Vorrat zulegen. Einen Vorrat an Erinnerungen, auch wenn es nicht meine eigenen Erinnerungen waren, damit … sie mir nicht ausgehen.« Er lächelte. »Albern, ich weiß. Als ob Erinnerungen je ausgehen könnten.«
    Helen erzählte ihm, dass sie sich ähnlich verhielt. Er wartete, aber sie führte es nicht näher aus.
    »Es ist immer gut, wenn man weiß, man ist nicht der einzige Spinner«, sagte er.

    Was sie ihm nicht erzählte, war, dass sie nach etwas suchte und mehr über den Mann erfahren wollte, den sie zu kennen geglaubt hatte. Und dabei mehr herausgefunden hatte, als sie wollte. Und sie erzählte ihm natürlich auch nicht, mit wem sie gesprochen hatte. Nichts von ihren Gesprächen mit Frank Linnell und Kevin Shepherd. Und sie erzählte ihm nicht, mit wem sie heute noch sprechen wollte. Sie fürchtete, er könnte das für leicht schräg halten.
    Was es wahrscheinlich auch war.
    Als Helen immer öfter auf die Uhr sah, erklärte Deering, dass er auch gehen müsse. Er sagte ihr, er sei so gut wie fertig mit seinem Bericht, aber ein paar kleinere Details müsse er noch mit dem Kollisionsexperten ausbügeln.
    »Welche Details?«
    »Nichts Besonderes. Nur wegen des Prozedere.«
    »Das war noch nie meine Stärke«, sagte Helen.
    »Sie wissen, Sie können mich jederzeit anrufen«, sagte Deering. »Wenn Sie jemanden zum Reden brauchen. Ich versteh das. Das wissen Sie jetzt.«
    »Danke.«
    »Auch wenn Sie nur jemand zum Anbrüllen brauchen.«
    »Das könnte Ihnen noch leidtun«, sagte Helen.
    Wieder draußen, beobachtete sie die Leute beim Bummeln, wie sie bei dem schönen Wetter etwas tranken, während sie unterwegs waren zu einer Grillparty oder in ein Pub. Sie sah, wie sie plauderten und lachten, und hasste jeden Einzelnen.
    Wie Deering gesagt hatte. Extrem.
    Sie stellte sich das als etwas vor, was durch ihren Körper rauschte, und fragte sich, ob das Kind etwas mitbekam von dieser unnatürlichen Chemiebrühe. Durch die Nabelschnur wie mit einer Droge gefüttert wurde, bis es sich brüllend und rotgesichtig nach draußen kämpfte.

    Javine war mit Benjamin zu einer Freundin gegangen, Theo hatte die Wohnung also für sich. Was ihm gefiel. Er wusste nicht, ob seine Mutter und Angela zwei Stockwerke tiefer zu Hause waren, aber wie die Dinge lagen, war er lieber allein.
    Es war ein heißer Tag, und er lief in Unterhose und -hemd durch die Wohnung und vernichtete den Großteil des Shits, den er noch

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