Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
von seinem schlaffen, gebräunten Bauch abhob. »Ich nehme an, er hat ein bisschen was an sich machen lassen – die Augenpartie ist irgendwie anders, und er hat sich die Haare gefärbt –, aber das ist definitiv er.«
»Also gut, nehmen wir mal rein theoretisch an, er ist es …«
»Allmächtiger!« Sie seufzte und ließ sich in ihrem Sessel zurückfallen. »Ihr Sehvermögen lässt also auch nach, oder?«
»Sehen Sie, wenn er das ist, dann stehen die Chancen gut, dass er seine Zeit nicht damit verbringt, zu bowlen und Gartenarbeit zu erledigen, richtig?«
Sie nickte. »Er dreht bestimmt irgendwelche krummen Dinger.«
»Also, ich werde bei den Kollegen vom Organisierten Verbrechen ein gutes Wort für Sie einlegen und fragen, ob sie der Sache nachgehen wollen, okay? Mehr kann ich wirklich nicht tun.«
»Wenn er es ist, möchten Sie dann nicht wissen, wie ?« Sie klopfte einen Aschewurm von ihrer Zigarette. »Wie er noch am Leben sein und in der Sonne herumgondeln kann, obwohl er vor zehn Jahren im Epping Forest verbrannt ist? Wenn er es ist, möchten Sie dann nicht wissen, wessen Leiche das im Auto war?«
Wenngleich Thorne diese Frage noch für hypothetisch hielt, geisterte sie ihm seit Anna Carpenters Besuch im Becke House im Kopf herum. Irgendjemand war mit Handschellen an das Lenkrad des Wagens gefesselt worden, auch wenn es sich nicht um Alan Langford gehandelt hatte. Irgendjemandes Fett war geschmolzen und auf die Ledersitze getropft.
»Ich gebe zu«, sagte Thorne, »dass es Gründe gibt, warum wir Alan Langford gerne finden würden, wenn er der Mann auf den Fotos wäre. Aber warum wollen Sie ihn finden? Ich nehme an, Sie haben nicht vor, sich mit einem Kuss zu versöhnen und ihn zu fragen, ob auf seiner Jacht noch Platz für Sie und Ihre Freundin ist.«
»Kate und ich kommen wunderbar zurecht.«
»Das freut mich für Sie. Aber trotzdem haben Sie Grund genug, ein klein bisschen sauer auf ihn zu sein.«
»Das Leben ist kurz.«
»Für manche ist es kürzer als für andere«, entgegnete Thorne.
»Als ich dachte, er wäre tot, war ich wütender auf ihn, als ich es jetzt bin«, sagte Donna. »Ich hätte ihn gut und gern ein Dutzend Mal umbringen können. Darum geht’s inzwischen nicht mehr.«
»Worum dann?«
»Ich möchte ihn finden«, sagte Donna, »weil ich glaube, dass er meine Tochter hat.«
Thorne hatte völlig vergessen, dass es ein Kind gegeben hatte. Eine Erinnerung keimte auf und nahm rasch Gestalt an: ein kleines Mädchen, das in der riesigen Küche am Kühlschrank stand, sich etwas zu trinken einschenkte und seine Mutter fragte, wer Thorne sei und was er wolle.
Er kämpfte damit, sich an den Namen zu erinnern. Emma? Ellen?
»Ich höre«, sagte Thorne.
»Ellie war erst sieben, als ich eingebuchtet wurde, und es war niemand da, der sich um sie hätte kümmern können. Zumindest niemand, der sich um sie kümmern wollte. Niemand, den das Sozialamt für geeignet hielt.« Sie beugte sich vor, zerdrückte ihren Zigarettenstummel im Aschenbecher und erzählte Thorne, dass ihre Tochter auf Dauer zu Pflegeeltern gekommen war, da es keine Großeltern gab, die hätten einspringen können. »Meine jüngere Schwester hätte sie im Notfall schon genommen, aber wir haben uns nie besonders gut verstanden. Außerdem war ihr Macker nicht gerade scharf darauf. Die einzige andere Möglichkeit wäre Alans Bruder gewesen, aber der hatte noch mehr Dreck am Stecken als Alan, was ihn auch nicht zum idealen Kandidaten machte. Also …«
Thorne spürte ein leises Schuldgefühl in sich aufsteigen, weil er nichts von alledem gewusst hatte und sich auch nicht die Mühe gemacht hatte, es herauszufinden. Doch so lief die Sache nun einmal. Wenngleich er nicht immer Erfolg dabei hatte, versuchte er, nicht zu viel über die Leute nachzudenken, die er hinter Gitter brachte, und über diejenigen, die sie zurückließen. Sein Augenmerk galt in erster Linie den Toten und deren Angehörigen. In diesem Fall war ihm das Opfer allerdings auch ziemlich egal gewesen.
»Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«, fragte Thorne.
»Am Tag meiner Verhaftung.«
»Was? Das verstehe ich nicht.«
»Sie war natürlich viel zu jung, um mich zu besuchen«, sagte Donna. »Mir wurde gesagt, dass sie bei Pflegeeltern ist, dass es ihr gut geht und dass das Sozialamt ihr möglicherweise erlauben würde, mich zu besuchen, sobald sie sechzehn ist. In der Zwischenzeit habe ich Fotos bekommen.« Sie griff nach weiteren Bildern und reichte sie
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