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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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nach Hause zu fahren. Wenn sie die Wahrheit sagte, dann deutete das nicht darauf hin, daß sie davon ausgegangen war, bei Dennis in der Govert Flinck zu übernachten.
    »War‘s … noch nett bei Dennis?« Ich hoffte, meine Frage hatte nicht allzu bitter geklungen.
    »Irgendwie find ich‘s noch immer blöd«, sagte Goscha. »Ich bin fast sofort eingeschlafen.«
    »Du hast erzählt, daß ihr im Trouw mehr geredet alsgetanzt habt«, sagte ich. »Hat Tonio eine gewisse Jenny erwähnt?«
    Goscha dachte nach, schüttelte dann den Kopf. »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Auch nicht von einem Mädchen geredet, mit dem er ein paar Tage zuvor ein Fotoshooting gemacht hat?«
    »Ja, jetzt, wo du‘s sagst … aus einem Gespräch zwischen Tonio und Dennis war herauszuhören, daß da was mit einem Mädchen war. Ein Fotoshooting, kann gut sein. Einen Namen habe ich nicht gehört. Jenny … nein.«
    »Dennis hat uns erzählt«, sagte Mirjam, »daß Tonio ihn in letzter Zeit öfter mal um Rat gefragt hat in puncto Mädchen … wie man bestimmte Dinge angeht und so. Sowohl zu Dennis als auch zu Jim hat er in letzter Zeit regelmäßig gesagt, er fühle sich so glücklich .«
    »Ja«, sagte Goscha mit niedergeschlagenem Blick, »das hat er auch ein paarmal zu mir gesagt. Das mußte er wohl loswerden. Er konnte es nicht für sich behalten. So als könnte er nicht glauben, was geschah … Unheimlich glücklich.«
    Ich mußte an die paar Phasen unsinnigen Glücks denken, zwischen meinem fünfundzwanzigsten und fünfunddreißigsten Lebensjahr. Wieder war ich auf eine enge Übereinstimmung zwischen ihm und mir gestoßen. Und auch wieder nicht, denn bei mir hatte sich dieses Glück, mit dem so schwer umzugehen war, austoben dürfen.
    »Tonio hatte an dem Abend so ein schönes T-Shirt an«, meinte Goscha, jetzt wieder lächelnd. »Echt, ein ganz besonderes T-Shirt. Ich bin froh, daß ich ihm das noch gesagt habe. Er mochte es sichtlich, wenn jemand so was erwähnte. Dann grinste er ein bißchen … verlegen und doch auch stolz. Ja, das gibt mir ein gutes Gefühl, daß ich ihm das noch sagen konnte, kurz bevor …«
    Ich erinnerte mich an Tonios nackte Schultern, die auf der Intensivstation aus dem Laken hervorsahen. Das schöne T-Shirt war auf dem Asphalt der Stadhouderskade ganz blutiggeworden. Goschas Komplimente hatten nicht verhindern können, daß man es ihm in der Ambulanz vom Leib schneiden mußte. Mirjam fragen, ob sie es mit seinen übrigen Sachen wiederbekommen hat.
37
     
    »Wann hast du erfahren …« Mirjam war nicht imstande, ihre Frage zu beenden. Sie beugte sich über Tygo, der an ihren Füßen saß, und stupste ihn gegen die Nase.
    »Montag«, sagte Goscha. »Am nächsten Tag.«
    Ich sprang für Mirjam ein. »Von wem, wenn ich fragen darf?«
    »Ach, das ist eine blöde Geschichte«, sagte Goscha. Sie wurde rot. »Ich hab es von meinem Ex gehört. Einem Fahrradschlosser. Ich wußte nicht, daß er mit Dennis befreundet ist, jedenfalls hatte er es von Dennis. Ich war kurz bei ihm … also bei dem Fahrradschlosser, meinem Ex … und als ich wieder draußen stand, spürte ich, wie ich blaß wurde. Mir zitterten die Beine. Ich mußte echt Halt suchen.«
    Goscha sprach jetzt immer verwirrter, wie zu sich selbst, verlegen und errötend. Aus Bemerkungen des Fahrradschlossers (oder wegen anderer Hinweise, das wurde nicht klar) hatte sie den Eindruck gewonnen, daß Dennis böse auf sie war. »Vielleicht weil ich in seinem Zimmer eingeschlafen bin … obwohl er doch selbst, damals mit Tonio und dieser Decke … Na ja, er hat tagelang nichts von sich hören lassen, das sagt wohl genug.«
    Sie blickte zu Boden.
    »Oder nein, Moment mal … Dennis hat mir am Pfingstmontag doch mitgeteilt, was mit Tonio passiert ist. Ich bekam eine SMS von ihm … oder eine Nachricht auf Facebook. Ich weiß es nicht mehr.«
    Ich hatte den Eindruck, daß die Erinnerung an die schlaftrunkene Afterparty in der Govert Flinck sie in Verwirrungbrachte. Vielleicht fragte sie sich ja noch einmal, ob das alles es wert gewesen war, deswegen Tonio hängen- und ihn dieses ganze Stück allein nach Hause fahren zu lassen … gedankenversunken, unachtsam, ein Opfer für unvermittelt auftauchende Autos …
38
     
    Weil wir vorher nicht wußten, ob wir diesem Gespräch länger gewachsen sein würden (es waren labile Tage), hatte Mirjam in ihrer Mail Goscha eine Stunde für ihren Bericht gegeben. Als das Mädchen wohlerzogen nach genau einer Stunde aufstand, tat es mir wegen

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