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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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Augen: Tonio hatte ihr so viel von seinen Norwegischen Waldkatzen erzählt. Sie versuchte, die beiden zu streicheln, aber vielleicht weil sie Goschas Katzen rochen (eine getigerte und eine »Schildpatt«), blieben sie auf Distanz. Tja, was sollten sie, mit ihrem stolzen Stammbaum und von nordischem Adel, denn auch mit dem hergelaufenen Asylantenvolk vom »Katzenboot«?
    Noch während Mirjam sich in der Küche um die Getränke kümmerte, wollte Goscha mir schon von Tonios letztem Abend berichten. Ich bat sie, erst etwas von sich zu erzählen. Von Tonios letzten Stunden, in der Goscha-Version, durfte Mirjam kein Wort verpassen.
    Nach dem Abitur sei sie »gereist« und habe Spanisch gelernt (während, vor oder nach der Reise, das wurde nicht ganz klar). Sie fotografierte gerne, wie Tonio, aber damit sei sie nicht weitergekommen, bis Tonio … an jenem Samstagabend im Trouw …
    »Goscha, könntest du Tonio noch eben zurückstellen … für Mirjam?«
    »O ja, natürlich.« Sie erzählte, daß sie im September ein neues Studium beginne. Sprachwissenschaft. Zum Glück kam Mirjam mit dem Tablett aus der Küche, denn Goscha wollte ihre Geschichte loswerden.
    »Wir haben deinen schönen Brief gelesen«, sagte ich. »Könntest du ausführlicher erzählen, wie du Tonio kennengelernt hast?«
    »Wir haben uns nur ein paarmal gesehen«, begann sie, »und immer zusammen mit Dennis. Wir drei haben uns so gut verstanden … darum ist es, als ob wir viel, viel öfter zusammengewesen wären. Ich habe Tonio und Dennis dieses Jahr, Anfang April, kennengelernt. Im Trouw in der Wibautstraat. Da haben wir die ganze Nacht zu dritt getanzt. Danach sind wir zu Jesse gegangen, in De Pijp. Ich war total erstaunt, daß wir drei so verwandt waren. Dieselben Interessen … Katzen, Fotografie … dieselben Festivals. Am Königinnentag habe ich sie wieder im Trouw getroffen. Ein toller Abend … alle so was von ausgeflippt … Hinterher hatten wir natürlich noch nicht genug und haben bei jemandem zu Hause weitergemacht. Na ja, weitergemacht … es endete ganz friedlich. Jeder eine Decke über den Beinen, Tasse Tee in der Hand, und von Katzen geredet. Weil ich nur ein paar Straßen von Tonio entfernt wohne, hab ich ihn gefragt, ober mitfährt. Aber Dennis war unter seiner Decke eingeschlafen und nicht mehr wach zu kriegen. Da hab ich gemerkt, was Freundschaft für Tonio bedeutete. Einen echten Freund läßt man nicht einfach bei Wildfremden zurück. Man wartet, bis er aufwacht, und dann kümmert man sich darum, daß er sicher nach Hause kommt. Tonio hat einfach bei Dennis gewacht. Wenn seine Decke wegrutschte, hat Tonio ihn wieder zugedeckt. So lieb … so treu. Währenddessen machte er sich Sorgen um mich … ob ich sicher nach Hause käme. Ich sagte, ich würde es schon schaffen. Dennis befand sich in einer viel wehrloseren Position. Ich ging, und dieses Bild ist bei mir hängengeblieben: Tonio, der, wirklich süß, Dennis noch mal gut zudeckt. Er war wirklich ein lieber, fürsorglicher Junge.«
    Goscha erzählte von Tonios letztem Abend und letzter Nacht. Eine ausführlichere Version als in ihrem Brief. Ihr Bericht deckte sich mehr oder weniger mit dem von Dennis, außer daß sie jetzt selbst eine größere Rolle darin spielte. Sie hatten sich wieder zu dritt verabredet. Es war Pfingsten. An dem Abend wollten sie die Stadt wirklich richtig unsicher machen.
    Als Dennis und Tonio bei Goscha in De Baarsjes klingelten, kamen sie von einem Fest im Vondelpark, beim Vertigo und dem Filmmuseum. »Sie waren früher bei mir als verabredet. Das kam daher … es hatten ihnen nicht besonders gefallen auf dieser Fete. Aber schön, daß sie jetzt endlich mal meine Katzen kennenlernten. Sieb und Mulan. Es war herrlich. Wir machten Pläne, im Sommer nach Berlin zu fahren … die beiden waren einfach eine super Begleitung. Gegen Mitternacht sind wir ins Trouw gefahren. Am nächsten Abend fand ich die leeren Bierdosen in meinem Papierkorb … so unwirklich, wenn man jetzt daran denkt, daß Tonio da schon nicht mehr lebte.«
    Sie schwieg kurz, um noch einmal fassungslos in diesen Korb zu starren. (Dosen aufrecht stehend auf dem Boden, damit keine Bierreste verschüttet wurden, denn das ergabso eine pappige Schicht, in der Papierschnipsel klebenblieben.)
    »Wir waren alle drei unheimlich gut drauf. Schade nur, daß die Musik nicht so toll war. Das wiederum hatte den Vorteil, daß wir ganz viel geredet haben. Endlich hab ich mich getraut, von den Dingen zu reden, die

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