Tontauben
Neuigkeiten in der Immobilienbranche.
Hier steht, dass die Ausbildung rund eineinhalb Jahre dauert, sagt Tristan. Der Vorteil wäre, dass das alles von zu Hause aus geht. Wegen deiner Tochter. Er dreht den Bildschirm wieder zurück. Sagt: Wie teuer das ist, finde ich noch raus.
Er lächelt, dann verschwindet sein Lächeln, macht einem besorgten Gesichtsausdruck Platz. Alles klar, Anne?
Sie hat eine Hand an die Stirn gelegt. Sie sagt, gib mir einen Moment, und er sagt: Auch viele.
Aus seinem Jackett holt er ein Taschentuch hervor, legt es vor sie hin. Aber sie muss nicht weinen. Ihr ist ein Bild in den Sinn gekommen. Der Schwede, der sich in seinem Sessel zurücklehnt. Die Hände vor der Brust verschränkt. Sich räuspert, bevor er spricht. Dass David und Anne also ihre Tochter verloren hätten. Die jüngere noch dazu. Er sagt es sehr nüchtern, wie ein Arzt bei der Anamnese. Das, sagt David, sei nichts, worüber sie reden wollten. Der Schwede nickt. Spricht trotzdem weiter. Dass Verdrängung sich nur gegen sie selbst wenden würde. What goes around comes around. Aber er verstehe natürlich: noch kenne man sich kaum.
Sie begleitete die Gäste nicht zur Tür. Täuschte Kopfschmerzen vor. Die sie dann wirklich bekam. Davids Stimme im Flur. Christa, die noch einmal nach oben rief: Gute Besserung! Dann hörte sie David die Stufen zum Schlafzimmer hochkommen. Sah, wie er die Tür öffnete. Verschwommen, als sei er eine Figur in Aspik. Unmöglich zu erklären, wie das war: David anzusehen und plötzlich zu wissen, egal wie sehr sie ihn auch liebt, irgendwann stirbt er doch.
Tristan fragt: Kann ich etwas tun?
Sie schüttelt den Kopf. Der Vogel an der Wand. Der Computer, der ein schwaches Sirren von sich gibt, wie ein winziges Insekt. Die antiken Schlüssel, von Rost überwuchert. Ganz kurz das Gefühl zu taumeln. Ins Leere zu treten. Unterzugehen. Dann Tristans Hand auf ihrem Arm. Warm, nicht schwer.
Es war einfach, sagt sie, ein furchtbares Wochenende.
Sie sieht ihn an.
Tristan erwidert ihren Blick. Ich weiß, was du meinst, sagt er.
Julia sagt: Sie wollen also Maklerin werden.
Es ist eine Feststellung, keine Frage. Sie gibt Anne die Hand, mustert sie kurz, dann lächelt sie. Sie führt sie durch das Büro, stellt ihr die Sekretärin vor, den Lehrling. Zeigt ihr die Website der Agentur: die Häuser und Wohnungen nach Preisklasse gestaffelt. Aus einem Ordner holt sie zwei mehrseitige Listen. Die Kunden, die ein Haus suchen, und die, die eins verkaufen wollen.
Es ist wie eine Partnervermittlung, sagt sie. Man muss sie ernst nehmen. Sie müssen zueinander passen.
Am besten ein Leben lang?, fragt Anne, und Julia sagt: Na, das nicht unbedingt.
Das junge Paar, das bereits vor dem Haus steht, als sie ankommen, hat ein kleines Kind dabei, einen Jungen von etwa zwei Jahren mit braunen Locken und einem runden Babymund.
O je, sagt Julia und blinkt, um am Straßenrand zu parken. Mit Kindern ist es immer heikel. Die werden müde, langweilen sich, maulen.
Sie nimmt die Parkscheibe aus dem Seitenfach, stellt die Uhrzeit ein.
Sind wir zu spät?, fragt sie, und Anne schaut auf ihre Uhr und sagt: Nein, genau richtig.
Sie nehmen das Auto des Paares, wegen des Kindersitzes. Der Kleine zeigt aus dem Fenster, er benennt alles, was er sieht: Kuh, Pferd, Baum, Vogel. Mann. Kind. Auto. Auto. Auto. Anne sitzt neben ihm und zeigt ihm, was sie sieht: Das handgemalte Schild einer Strandbar, einen Mann, der seinen Hut festhält, einen Leuchtturm, der nicht leuchtet.
Das ist Haus Nummer eins, sagt Julia, als sie vor einem niedrigen Bungalow aus hellbraunen Steinen halten. Keine qualitative Nummerierung, versteht sich, nur eine chronologische.
Sie lächelt breit, als sie die Tür aufhält und die anderen vorausgehen lässt. Seitdem sie das Paar getroffen haben, ist sie jovialer, weniger barsch. Anne weiß nicht, welche Julia ihr lieber ist: die ruppige oder die charmante. Sie weiß nur, dass sie den Wechsel nicht mag, diesen plötzlichen Umschwung.
Das Haus ist groß, aber alle Zimmer außer dem Wohnzimmer sind klein. Kassettendecken, die Türen aus dunklem Holz, der Fußboden weißer Marmor, glatt und glänzend wie eine Eisfläche.
Die Bewohner, erklärt Julia, sind vor einem Monat ausgezogen.
Sie holt eine Karteikarte aus ihrer Tasche. Sieben Zimmer, sagt sie, eine moderne Küche. Alles vor einigen Jahren renoviert. Alles unterkellert. Zentralheizung.
Sie nennt einen Kaufpreis, der offenbar im Rahmen der Möglichkeiten liegt,
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