Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur
der Stadt gern hier oben. Da liegen eine Menge Bierdosen rum. Mann, ich bin selbst dauernd hier gewesen, als ich auf der Highschool war.«
Er leuchtete in den Schacht, auf die behelfsmäßige Leiter aus Eisensprossen, die in die Mauer zementiert waren. »Sie muss beim Fallen an einer dieser Sprossen hängen geblieben sein. Dabei sind ihre Knochen wie Zahnstocher gebrochen.«
»Da unten bewegt sich was«, sagte Mendez.
»Ratten, die halten da regelmäßig ein Festmahl ab«, sagte Scott. »Sie gelangen über Löcher und Gänge im Erdreich hierher und schlüpfen durch die Risse in der Mauer. Gott weiß, was sich in diesem Loch alles tummelt. Ratten, Mäuse, Schlangen, Skorpione.«
»Gott mag es wissen, aber wir werden es leider auch herausfinden müssen«, sagte Hicks. »Sind Sie wirklich sicher, dass sie da unten lag?«
»Ich möchte es nicht beschwören, aber es sieht ganz so aus. Und danach zu urteilen, wie die Frau roch – na ja, sie muss sich eine ganze Weile dort unten aufgehalten haben.«
»Sie wird seit Mittwochnachmittag vermisst«, sagte Mendez.
Der Mann war beeindruckt. »Wow. Wenn die Kleine so lange durchgehalten hat, muss ich sie unbedingt kennenlernen. Die scheint echt zäh zu sein.«
Seltsam, dachte Mendez, so hätte er Gina nicht eingeschätzt. Er hätte sie für die furchtsamere der beiden Frauen gehalten. Man wusste eben nie, wozu jemand in der Not imstande war.
Hicks ging, um einen der Tatortermittler zu holen und in den Schacht zu schicken.
»Nie im Leben würde ich da runtergehen«, sagte Scott.
Mendez lachte. »Mit Ihren Schultern würden Sie sowieso nicht reinpassen.«
»Zum Glück! Mäuse sind nämlich nicht mein Fall. Ehrlich, wenn eine Maus meinen Weg kreuzt, fang ich an zu kreischen wie ein Mädchen.«
»Es gehört Mut dazu, das zuzugeben, Tom.«
Schimpfend ging einer der Tatortermittler neben Hicks her. »Willst du mich verarschen, Mann? Ich soll da runter?«
»Du bist Tatortermittler«, sagte Hicks. »Und das da ist ein Tatort.«
»Dafür zahlt ihr mir zu wenig.«
»Das müssen Sie mit der Verwaltung ausdiskutieren«, erwiderte Mendez. »Bis es so weit ist, möchte ich wissen, ob dort unten irgendwelche Beweise zu finden sind.«
»Und immer schön vor den Mäusen in Acht nehmen!«, rief Tom Scott dem Mann hinterher, als der sich an den Abstieg machte.
»Die guten Ratschläge können Sie sich sparen!«
Der Leiter der Suchmannschaft lachte, dann trat er einen Schritt zurück, sah sich um und wurde wieder ernst.
»Das ist ein ziemlich einsamer Ort zum Sterben.«
Zahns Haus lag in knapp einem halben Kilometer Entfernung hinter einem der Hügel. Marissa Fordhams Haus lag einen Kilometer weiter südlich. Die Bordain-Ranch lag noch weiter entfernt in nordwestlicher Richtung. Niemand würde Schreie hören. Niemand würde die Hilferufe hören, die aus dem Brunnen nach oben drangen. Hier gab es nur Kaninchen, Kojoten und Klapperschlangen.
Es war klar, warum der Täter Gina Kemmer gerade hierher gebracht hatte, um sie zu töten.
Mendez drehte sich zu Tom Scott um. »Unser vermisstes Mathegenie haben Sie noch nicht gefunden, oder?«
Scott schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Spur von ihm.«
Man konnte sich nur schwer vorstellen, wie Zander Zahn jemanden erschoss. Noch schwerer konnte man sich vorstellen, wie er jemanden erstach, aber das hatte er mit ziemlicher Sicherheit getan. Wohin war er verschwunden?
Die Stelle hier kannte vermutlich jeder, der in der Gegend wohnte. Jeder, der zwischen den Hügeln herumwanderte. Jeder, der einmal mit Marissa Fordham einen langen Spaziergang unternommen hatte.
»Ihr schuldet mir was, Jungs«, sagte der Tatortermittler, als er mit einer großen braunen Papiertüte in der Hand die Sprossen wieder hochstieg.
»Was hast du da, Petey?«, fragte Hicks.
»Schwarze Klamotten mit eingetrocknetem Blut, wie es aussieht. Scheinen in Blut gebadet worden zu sein.«
Scott zog ihn mühelos den letzten Meter hoch und stellte ihn sicher auf den Boden. Er öffnete die Tüte, und Hicks griff hinein und zog ein großes schwarzes Sweatshirt heraus, das steif und zerknüllt war. Sie richteten ihre Taschenlampen darauf.
»Da hat tatsächlich jemand ein Blutbad genommen«, sagte Mendez. Und die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass das Blut, in dem dieser Jemand gebadet hatte, das von Marissa Fordham war. »Meine Herren«, sagte er. »Wir haben offenbar endlich ein Beweisstück gefunden.«
68
»Endlich haben wir etwas in Händen«, rief Dixon.
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