Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur
sein«, fuhr Vince fort. »Wollen wir hoffen, dass das hier nicht der Fall ist – weil es nämlich bedeuten würde, dass er ein Jäger ist, und ein Jäger lässt das Jagen nicht einfach sein.«
»Das fehlt uns gerade noch«, sagte Dixon. »Ein weiterer Serienmörder. Einer ist mehr als genug.«
»Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie es mit einem weiteren Serienmörder zu tun haben, ist nicht besonders hoch. Das ist eine extrem seltene Gattung, auch wenn man jede Woche im Fernsehen von ihnen hört«, versicherte ihm Vince. »Meiner Meinung nach war der Mord an Marissa Fordham eine persönliche Sache. Darauf verweisen die vielen Stichwunden. Das Tranchiermesser scheint dem Opfer gehört zu haben, was andererseits auf eine spontane Tat schließen lässt, eine Augenblicksentscheidung. Jemand wird wütend, schnappt sich ein Messer und sticht zu. Das aus der Vagina des Opfers ragende Messer ist darüber hinaus als persönliches Statement des Täters zu sehen, würde ich sagen.«
»Mit der sollte man besser nicht vögeln, die ist gefährlich?«, fragte Trammell.
»So in der Art.«
»Okay«, sagte Dixon. »Dann wollen wir uns mal auf die Suche nach demjenigen machen, der meinte, eine solche Botschaft hinterlassen zu müssen.«
9
»Wie geht es Mrs Morgan?«, fragte Vince, als sie ins Auto stiegen.
Mendez warf ihm einen kurzen Blick zu, während er den Schlüssel ins Zündschloss steckte. »Sie hat sich nicht gerade gefreut, mich zu sehen. So viel ist klar.«
»Sie hat letztes Jahr eine Menge durchgemacht«, sagte Vince. »Anne trifft sie und Wendy gelegentlich. Sie möchte den Kontakt zu den Kindern aufrechterhalten. Wendy hat große Probleme, das Ganze zu verarbeiten. Sie ist sehr in sich gekehrt und traurig.«
»Gibt es den Ehemann noch?«
»Soweit ich weiß, schon.«
»Das verstehe ich nicht.« Mendez schüttelte den Kopf. »Der Mann hat sie mit einer Frau betrogen, die ermordet wird, er hat sie belogen und für einen Mordfall relevante Informationen zurückgehalten. Er ist ein Riesenarschloch, und sie bleibt trotzdem bei ihm. Was geht in den Köpfen von Frauen bloß vor? Sie ist schön und talentiert. Sie verdient etwas Besseres.«
»Er ist der Vater ihres Kindes«, sagte Vince. »Wendy liebt ihren Vater. Wenn man die Kinder fragt, wollen sie immer, dass ihre Eltern zusammenbleiben. Streitereien zwischen den Eltern sind beängstigend für ein Kind, aber längst nicht so beängstigend wie der Verlust eines der beiden Elternteile.«
»Du warst doch schon mal verheiratet. Wie haben deine Kinder die Scheidung weggesteckt?«
Vince verzog das Gesicht. »Ich war ohnehin die ganze Zeit unterwegs. Für meine Töchter war es völlig normal, ohne mich aufzuwachsen. Ihr Alltag änderte sich mit meinem Auszug von zu Hause kaum.«
»Und du bedauerst das Ganze.«
»Das kann man wohl sagen. Sie sind schließlich meine Töchter. Ich liebe sie, und ich hab’s vermasselt. Meine Exfrau ist wunderbar, aber irgendwann hatte sie eben die Nase voll davon, die alleinerziehende Mutter zu spielen, und hat sich einen anderen gesucht. Ich habe meine Familie wegen meines Berufs vernachlässigt.«
»Dafür hast du beruflich aber auch eine Menge erreicht. Hey, du bist ein Pionier! Die Behavioral Sciences Unit hätte sich ohne dich nicht in der Weise entwickelt. Denk nur an all die Fälle, die dank deiner Hilfe gelöst wurden, an die Mörder, die dank deiner Hilfe hinter Gitter kamen. Das zählt doch auch.«
»Stimmt«, sagte Vince, »ich will das gar nicht kleinreden. Aber ich habe einen hohen Preis dafür gezahlt. Es hat mich meine Ehe gekostet. Ich habe nicht mitgekriegt, wie meine Töchter groß wurden. Jeder von uns trifft seine Entscheidungen und muss dann mit den Folgen leben. Allerdings weiß ich, dass ich diesen Fehler kein zweites Mal machen werde.«
»Ja, ja«, grummelte Mendez grinsend, »reib’s mir nur rein.«
Vince lachte. Er hatte Anne seinem Schützling vor der Nase weggeschnappt – der Gedanke verschaffte ihm immer wieder Genugtuung. »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, Junior. Aber nimm’s nicht zu schwer. Vielleicht nennen wir ja unseren Erstgeborenen nach dir.«
»Arschloch.«
»Na gut, dann nicht.«
Ihr erstes Ziel war das Verwaltungsgebäude des McAster College. Der gepflegte Campus mit den riesigen alten Eichen war wunderschön. Das College war 1920 gegründet worden, und viele Gebäude stammten noch aus dieser Zeit. Das Verwaltungsgebäude mit der breiten Freitreppe und der riesigen Doppeltür
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