Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur
werden Sie anstarren und fragen: ›Wer ist diese Frau?‹«
»Ich bin ja da, um sie zu beschützen«, erklärte Fran.
Gianni Farina verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen, klopfte Franny auf die Schulter, murmelte etwas auf Italienisch und wandte sich ab.
»Damit haben Sie sich gerade um Ihr Trinkgeld gebracht«, rief Franny ihm nach.
Anne lachte und trank einen Schluck von ihrem Wein, als die Tür aufging und Vince hereinkam, der von nicht weniger als drei Leuten begrüßt wurde, bevor er es auch nur in die Nähe ihres Tisches geschafft hatte. Er wechselte mit Gianni ein paar Worte auf Italienisch, denen Gelächter und ein breites Grinsen von Vince folgte.
»Hast du auch ein Auge auf mein Mädchen, Franny?«, fragte er und setzte sich neben Anne.
»Ich kann nichts für ihr Aussehen.«
Vince strich Anne über die Haare, und seine Augen leuchteten, als er sie ansah. »Sie ist wunderschön.«
»Du bist verliebt.«
»Stimmt.« Er beugte sich vor und gab ihr einen liebevollen Kuss. »Du siehst müde aus.«
Anne brachte ein Lächeln zustande. »Es war ein langer Tag. Und was hast du als Entschuldigung vorzubringen?«
Er hatte Kopfschmerzen. Das würde er nicht zugeben, aber sie hatte gelernt, die Zeichen zu deuten: die angespannte Augenpartie, die tiefen Falten auf seiner Stirn. Er musste sich hinlegen. Sie musste sich um ihn kümmern.
»Das Gleiche«, sagte er. »Ich habe Gianni gesagt, er soll uns was zu essen einpacken.«
»Und ich werde einfach abserviert«, beschwerte sich Franny.
»Drei sind einer zu viel«, gab Vince ungerührt zurück.
»Gibt es schon irgendeine Spur in dem Fall?«, fragte Anne.
»Ein paar interessante Anhaltspunkte«, sagte Vince ausweichend.
»Welcher Fall?«, fragte Franny. »Peter Crane?«
Franny war geradezu besessen von der Vorstellung, dass sein Zahnarzt – der Mensch, dem er erlaubt hatte, die Finger in seinen Mund zu stecken! – ein Serienmörder war. Und dass Crane Anne entführt und verletzt hatte, machte ihn nur noch wütender.
»Jemand hat Marissa Fordham umgebracht, die Künstlerin«, sagte Anne.
»Was?«
»Marissa Fordham«, wiederholte Anne. »Sie hat dieses wunderbare Plakat für das Thomas Center entworfen.«
»Nein!«
»Hast du sie gekannt?«, fragte Vince.
»Ich bin ihr ein paarmal bei irgendwelchen Veranstaltungen über den Weg gelaufen. Hab sie vor ein paar Tagen das letzte Mal gesehen, da hat sie ihre kleine Tochter zur Halloween-Party in den Kindergarten gebracht. Ich fand sie sympathisch. Eine nette Frau. Wir haben uns darüber unterhalten, dass wir mal einen Tag der Kunst veranstalten und sie dazu einladen könnten. Was ist passiert?«
»Sie wurde heute Morgen tot aufgefunden«, sagte Vince, ohne auf die näheren Umstände einzugehen. »Wir versuchen gerade, ihre Freunde ausfindig zu machen.«
»In einer Stadt wie unserer sollten keine Leute ermordet werden«, sagte Franny aufgebracht. »Fängt das jetzt alles wieder von vorne an? Es ist unfassbar!«
»Leute, die andere umbringen, machen sich im Allgemeinen keine Gedanken darüber, welche Auswirkungen das auf die Gemeinschaft hat«, sagte Vince. »Sie hören nicht mittendrin auf und denken, du lieber Himmel, hier gab es doch erst im vorigen Jahr all diese Morde – vielleicht sollte ich noch warten .«
Franny ignorierte den sarkastischen Unterton. »War es ein Einbruch oder so was?«
»Nein.«
»Mein Gott! Jemand ist in ihr Haus gekommen und hat sie umgebracht? Einfach so?«
»Wir glauben nicht, dass der Zufall sie zum Mordopfer gemacht hat«, erwiderte Vince. »Ich würde sogar sagen, dass es eine sehr persönliche Angelegenheit war, bei der Wut eine große Rolle spielte. Sie hat jemanden so in Rage gebracht, dass es keine Umkehr mehr für denjenigen gab. Wenn ich mich recht erinnere, hast du mal gesagt, du kennst in Oak Knoll jeden, der es wert ist, gekannt zu werden, Franny. Du verkehrst in Künstlerkreisen. Hast du jemals etwas Negatives über sie gehört?«
Franny schien die Frage unangenehm zu sein. Vince sah ihn durchdringend an.
»Sie war alleinstehend, unabhängig, talentiert und bildschön«, sagte Franny. »Für eine Menge Frauen, die nicht alleinstehend, unabhängig, talentiert und bildschön sind, ist das eine Bedrohung.«
»Frauen, die Angst haben, dass ihnen eine andere den Ehemann wegnimmt.«
Franny verdrehte die Augen. »Als ob die Typen hier jemand wollen würde.«
»Denkst du an jemand Bestimmtes?«
»Nein, nein. Ich habe nur hin und wieder eine giftige
Weitere Kostenlose Bücher