Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)
selber; hineingeworfen zu werden, fand er zu erniedrigend. Er war so müde, dass er vergaß, Angst zu haben. Ein paar Meter schwamm er, doch seine Züge waren schwach und er schluckte etwas Wasser. Paul musste ihn aus dem Becken heben. James hustete Wasser aus und spuckte Rotz auf den Beckenrand. Arif holte einen Lappen und warf ihn ihm zu.
»Wisch das ganz schnell weg!«
James bückte sich gehorsam und wischte die Kacheln sauber. Er war ziemlich wütend, wollte jedoch nicht, dass Arif und Paul das sahen. Als Paul nach ihm griff, um ihn ans Beckenende zurückzubringen, riss er sich los und schlug wie wild nach ihm.
»Lass mich in Ruhe!«, schrie James.
Paul fasste seinen Arm und drehte ihn ihm fest auf den Rücken. James heulte vor Schmerz auf.
»Glaubst du, dass du uns zusammenschlagen kannst, James?«, fragte Paul. »Ich wiege zwanzig Kilo mehr als du und habe den schwarzen Gürtel in Judo und Karate. Die einzige Art, uns loszuwerden, ist, durch dieses Tauchbecken zu schwimmen.«
Paul ließ James’ Arm los und stieß ihn ins Wasser.
»Diesmal schwimmst du zwanzig Meter«, rief Paul. »Du willst mich schlagen? Entweder du schaffst zwanzig Meter oder du riechst an meiner Faust!«
James begann zu schwimmen. Er war am Boden zerstört, aber er hatte Angst davor, was Paul mit ihm machen würde, wenn er aus dem Becken kam, und so schaffte er die zwanzig Meter und noch ein paar mehr, bevor er wieder zum Beckenrand schwamm. Paul reichte ihm die Hand, um ihn aus dem Wasser zu ziehen. James ergriff sie nervös.
»Nicht schlecht«, fand Paul. »Das waren dreißig Minuten. Du kannst dich zehn Minuten ausruhen.«
James brach am Beckenrand zusammen. Amy sprang auf und reichte ihm eine Packung Orangensaft. Arif und Paul setzten sich ein paar Meter entfernt hin.
»Bist du O.K.?«, fragte Amy.
»Es ging mir nie besser«, murmelte James, einen Schluchzer unterdrückend.
»Nicht weinen, James«, sagte Amy. »Das hier ist hart, aber das bist du auch.«
»Ich weine nicht«, log James. »Das ist nur das Salzwasser.«
Er nuckelte an seinem Saft und dachte nach. Wenn er fünfzig Meter schwimmen sollte, dann konnte er das am ehesten, wenn er sich nach der Pause etwas erholt hatte. Wenn er es nicht beim ersten Anlauf schaffte, musste er eine weitere halbe Stunde Erniedrigungen ertragen. Die Aussicht, herumgeschleift und ins Wasser gezwungen zu werden, erschien ihm schlimmer, als zu ertrinken. Was machte es schon aus, wenn er ohnmächtig wurde? Alles war besser, als das hier noch länger mitzumachen.
»Es ist Zeit«, sagte Arif irgendwann.
James ging zum Ende des Beckens. In seiner Vorstellung klang die Idee ganz vernünftig, aber das Wasser sah immer noch Furcht einflößend aus, als sich seine Zehen um den Beckenrand krallten. Er begann, mit starken Zügen zu schwimmen. Als er etwas Wasser in den Mund bekam, spuckte er es aus. Zum ersten Mal überhaupt machte es ihm nicht viel aus. Fünfundzwanzig Meter. Es fühlte sich nicht schlecht an. Zumindest war das seine persönliche Bestleistung.
James schaffte noch weitere zehn Meter, bevor er langsamer wurde. Er hatte Mühe, seinen Kopf lange genug über Wasser zu halten, um Luft zu schnappen. Nach vierzig Metern schmerzten seine Schultern unerträglich. Amy schrie wie verrückt, doch James verstand kein einziges Wort. Je mehr er sich anstrengte, desto langsamer schien er zu werden.
»Du hast es gleich geschafft!«, rief Amy. »Komm schon!«
Auf den letzten Metern hieb er nur noch wild um sich. Er atmete nicht mehr im Rhythmus, schluckte Unmengen von Wasser und hielt schließlich die Luft an. Aber er schaffte es. Er hob den Kopf aus dem Wasser und atmete die süßeste Luft seines Lebens.
Amy zog ihn aus dem Wasser und umarmte ihn. Sie weinte, was auch James wiederum zum Weinen brachte. Er ging zu Paul und Arif hinüber.
»Ich glaube ja selbst kaum, dass ich das sage«, meinte er. »Aber vielen Dank!«
»Deine Angst vor uns musste größer sein als die vor dem Wasser«, erklärte Paul. »Das ist kein Spaß, aber es funktioniert.«
18.
Um fünf Uhr morgens sollte James sich im Trainingslager für die Grundausbildung einfinden. Er stellte seinen Wecker und setzte ihn auf den Nachttisch. Die Gedanken an das Training hielten ihn Ewigkeiten wach. Als er erwachte, war es hell. Im November war es um fünf Uhr morgens nie hell. Das verhieß nichts Gutes. Der Wecker war verschwunden. Er hatte ihn nicht falsch gestellt, auch hatte sich nicht die Batterie gelöst, als er vom
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