Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)
ihr müsst sie ja nur einhundert Tage lang tragen.«
James lächelte und bekam von dem rothaarigen Mädchen in den dreckigen Stiefeln neben ihm Blicke wie Dolchstöße.
»Bevor ich meine Begrüßungsrede halte, möchte ich euch zwei wundervolle Freunde vorstellen, die mir helfen werden, mich um euch acht zu kümmern. Mr Speaks und Miss Smoke«, sagte Mr Large.
Falls es zwei Leute gab, neben denen einem die Lust am Leben verging, so waren das Speaks und Smoke. Sie waren beide in den Zwanzigern und fast so muskulös wie Mr Large. Speaks war schwarz, kahlrasiert, mit Sonnenbrille. Knallharte Schale. Smoke hatte blaue Augen, langes blondes Haar und war ungefähr so feminin wie ein Müllwagen.
»Miss Smoke«, sagte Large, »würden Sie mir bitte einen Eimer holen. Und James, könntest du so nett sein, auf einem Bein zu stehen?«
James stellte sich auf ein Bein. Mit Mühe hielt er die Balance. Smoke reichte Large einen Metalleimer.
»Dies lehrt dich hoffentlich, von nun an pünktlicher zu sein.«
Damit stülpte er ihm den Eimer über den Kopf. James wurde es schwarz vor Augen und der Geruch von Desinfektionsmittel stach ihm in der Nase. Er konnte die anderen Kinder lachen hören. Large zog einen Schlagstock aus dem Gürtel und schlug damit auf den Eimer. Der Lärm war ohrenbetäubend.
»Kannst du mich hören, Nummer sieben?«, fragte Large.
»Ja, Sir«, antwortete James.
»Gut. Ich möchte auch nicht, dass du meine Rede verpasst. Die Regel: Jedes Mal wenn dein Fuß den Boden berührt, bekommst du einen Hieb wie diesen mit dem Schlagstock.«
Wieder knallte der Schlagstock auf den Eimer. James stellte fest, dass es umso schwieriger war, auf einem Bein zu stehen, wenn man blind war.
»Also, Kinder, für die nächsten hundert Tage gehört ihr mir«, begann Large. »Und jeder Tag ist ein Tag voller Freude. Feiertage gibt es nicht. Keine Wochenenden. Ihr steht um Viertel vor sechs auf. Kalt duschen, anziehen, laufen auf dem Übungsgelände. Sieben Uhr Frühstück, danach Leibesübungen, bis um neun die Schule anfängt. Die Unterrichtsfächer sind Spionage, Sprachen, Waffenkunde und Überlebenstechnik. Um zwei lauft ihr wieder auf dem Übungsgelände. Lunch um drei. Ab vier Uhr zwei weitere Trainingsstunden. Um sechs seid ihr wieder hier.«
James’ Fuß berührte den Boden. Large ließ den Schlagstock auf den Eimer knallen. Der Lärm war unerträglich.
»Lass den Fuß oben! Wo war ich? Um sechs seid ihr wieder hier. Wieder duschen, wenn ich gut drauf bin, sogar mit warmem Wasser. Ihr wascht eure Sachen im Becken und hängt sie auf, damit sie morgens trocken sind. Dann säubert und putzt ihr eure Stiefel. Um sieben gibt es Abendessen. Von halb acht bis halb neun macht ihr Hausaufgaben. Zähneputzen und Licht aus um Viertel vor neun. Zum Survival-Training werden wir den Campus verlassen. Der letzte Trip wird uns ins sonnige Malaysia bringen. Falls mich jemand grausam nennt, möchte ich euch daran erinnern, dass dieser Zaun nicht dafür da ist, euch hier drinnen zu behalten, sondern eure kleinen Freunde davon abhalten soll, euch zu helfen oder euch schmackhafte kleine Snacks zukommen zu lassen. Ihr könnt das Trainingscenter jederzeit verlassen, aber wenn ihr CHERUB-Agenten werden wollt, müsst ihr dann wieder von vorne anfangen. James, setz den Fuß ab und nimm den Eimer runter!«
James nahm den Eimer vom Kopf. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen wieder an das Licht gewöhnt hatten.
»Du warst heute Morgen viel zu spät, nicht wahr, James?«, fragte Large.
»Ja, Sir«, antwortete James.
»Nun, alle zusammen, da James nach seinem langen Schlaf und seinem warmen Frühstück noch so satt ist, glaube ich, dass ihr alle euer Lunch auslassen könnt. Das braucht euch nicht zu beunruhigen, denn es sind ja nur noch elfeinhalb Stunden bis zum Abendessen.«
Die acht Kinder im Trainingslager wurden in Zweiergruppen aufgeteilt. Nummer eins und zwei, das erste Paar, bildeten Shakeel und Mo. Shakeel war so groß wie James, aber erst zehn Jahre alt. Er war in Ägypten geboren und bereits seit drei Jahren bei CHERUB. In diesen drei Jahren hatte er viel gelernt, was ihm bei der Grundausbildung helfen würde. James erkannte, dass er den Prüflingen gegenüber, die bereits einige Jahre in einem roten T-Shirt verbracht hatten, ziemlich im Nachteil war.
Mo war ein weiterer Veteran, sein zehnter Geburtstag lag drei Tage zurück. Mit vier Jahren hatte ihn ein Polizist verlassen am Flughafen Heathrow gefunden. Seine
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