Top Secret 1 - Der Agent (German Edition)

müssen. Sie versuchen, Wege zu finden, dass du jeden hasst. Lass dich nicht darauf ein, es kommt jeder mal dran.«
    Kerry teilte den Marsriegel in zwei Hälften.
    »Möchtest du ein Stück? Aber zuerst musst du es mir versprechen, James«, verlangte Kerry.
    »Ich verspreche, dass ich dir helfe, dein Knie zu schützen«, sagte James.
    »Weit aufmachen!«
    Kerry steckte James den halben Marsriegel in den Mund.
    Shakeel und Mo kamen über das letzte Hindernis, ein paar Meter hinter ihnen auch Callum und Connor. James konnte hören, wie Large Nicole anschrie: »Beweg deinen Hintern, bevor ich reintrete!«
    James hatte ein bisschen Mitleid mit ihr, andererseits würden sie ihn nicht anschreien, solange sie Nicole im Visier hatten.

    Das Konditionstraining mussten sie im Schlamm absolvieren. Situps, Kniebeugen, Liegestütze, Grätschsprünge. Nach einer Stunde fühlte sich James’ Körper vor Kälte und Muskelkater völlig taub an. Seine Uniform war schwer vom Matsch.
    Nicole lag am Boden, zu erschöpft, um sich zu bewegen. Miss Smoke setzte ihr den Stiefel auf den Kopf und drückte ihr Gesicht in den Schlamm.
    »Hoch mit dir, Pummelchen!«, schrie sie.
    Nicole sprang auf und rannte aufs Tor zu.
    »Du kannst nicht zurückkommen«, rief Smoke ihr nach. »Einen Schritt hinaus und das war’s dann.«
    Das war Nicole egal. Sie ging durchs Tor. Eine Viertelstunde später war sie wieder da und heulte sich die Augen aus, um wieder aufgenommen zu werden.
    »Komm in drei Monaten wieder, Süße«, rief Large. »Und werd den fetten Hintern los, sonst schaffst du es nie!«

    Bereits am ersten Tag nur noch zu siebt zu sein, war eine kleine Sensation. Alle Teilnehmer des Trainings sprachen darüber. Sie hielten Nicole für zu weich, weil sie so früh aufgab. Andererseits beneideten sie sie, weil sie jetzt nach einem heißen Bad in ihrem Zimmer vor dem Fernseher sitzen durfte.
    James hatte sich in der Dusche so gut wie möglich aufgewärmt, saß nun mit den anderen sechs am Tisch und wartete aufs Abendessen. Es war gut, Kerry als Partnerin zu haben, besonders wenn man sah, wie die anderen Kinder die Fehler machten, vor denen sie ihn warnte.
    Das Essen wurde in einem beheizten Rollwagen vom Hauptgebäude herübergebracht. Smoke teilte die Teller aus. James riss den Metalldeckel auf. Der gebratene Reis war durch das Warmhalten ein wenig trocken geworden, schmeckte aber ganz gut, und sie waren alle ausgehungert. Kerry bekam ihren Teller als Letzte. Schon am Geräusch erkannte James, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Kerry hob den Deckel. Da war kein Essen. Auf ihrem Teller lag lediglich die leere Verpackung eines Marsriegels. Kerry war am Boden zerstört. Large legte seine Pranken auf ihre Schultern.
    »Kerryschätzchen«, sagte er. »Du bist nicht das erste Kind, das zum zweiten Mal hier ist. Du kennst vielleicht alle Tricks, wir allerdings auch.«
    Large ging weiter. Kerry starrte auf ihren leeren Teller. James konnte sie nicht verhungern lassen. Er zog einen Strich auf seinem Teller und gab Kerry die Hälfte ab.
    »Danke, Partner«, sagte Kerry.

19.
    Stellt euch vor, ihr spielt das untere Level eines Videospiels. Es scheint schwer zu sein. Alles geschieht sehr schnell, aber schließlich schafft ihr es. Im Laufe des Spiels durchlauft ihr viele weitere, höhere Stufen. Eines Tages versucht ihr es wieder auf dem Anfangsniveau, und was euch damals schnell und schwierig erschien, ist nun ganz leicht.
    Dieses Prinzip steht hinter der Grundausbildung. Man fordert von euch Höchstleistungen unter extremer körperlicher und seelischer Belastung. Dadurch erreicht ihr Leistungen, die ihr nie für möglich gehalten hättet. Wenn die Grundausbildung vorbei ist, werden euer Geist und euer Körper auf einem höheren Level sein.
     
    (Aus der Einleitung des CHERUB-Grundausbildungshandbuches)
     
    Callum fiel am sechsundzwanzigsten Tag aus, als er sich auf dem Parcours das Handgelenk brach. Der Parcours war eigentlich nicht so schwierig, aber die Verletzungsgefahr war hoch, wenn man bereits drei Stunden Konditionstraining hinter sich und die Nacht zuvor nicht geschlafen hatte, weil Large einen mit dem Feuerwehrschlauch aus dem Bett getrieben hatte.
    Connor bildete mit Gabrielle ein Team, aber er war noch nie länger als ein paar Stunden von seinem Zwillingsbruder getrennt gewesen und dachte ernsthaft darüber nach, aufzugeben und die Ausbildung in ein paar Monaten zusammen mit seinem Bruder zu wiederholen.
    Das Konditionstraining war das härteste,