Top Secret - Der Ausbruch
Rücken. »Mädchen sind doch alle verrückt.«
Am Donnerstagmorgen um fünf Uhr kam Lauren fertig angezogen in James’ Zimmer und schnipste ihm gegen das Ohr, um ihn aufzuwecken.
»John sagt, du sollst deinen faulen Hintern aus dem Bett schwingen.«
James setzte sich auf und kratzte sich am Kopf. Lauren hatte seit dem Unfall kaum mit ihm gesprochen, daher war er erfreut, als sie sich über ihn beugte und seinen verschwitzten Oberkörper umarmte.
»Wofür war denn das?«, grinste er.
»Versuch mal, auf der Mission nichts allzu Dummes anzustellen, ja? Du bist zwar ein Idiot, aber du bist nun mal mein einziger Bruder.«
James lachte. Lauren bekam ein schlechtes Gewissen, als ihr Finger über den Kratzer fuhr, den sie ihm am Tag zuvor beigebracht hatte.
»Ich bin in der Küche schon dabei, uns ein schönes warmes Frühstück zu machen«, erklärte sie.
Als James wenig später frisch geduscht in die Küche kam, traute er seinen Augen kaum. Lauren schob seelenruhig drei perfekt gelungene Pfannkuchen auf einen Teller, während auf dem Gasherd Speck und Eier brutzelten.
»Ich kann mich lebhaft daran erinnern, wie du gekocht hast, als Mum noch lebte«, stieß er hervor. »Angebrannte Reste in der Pfanne und die Küche ein einziges Chaos. Wann bist du denn so gut darin geworden?«
»Ich habe auf dem Campus ein paar Kochkurse besucht.«
»Du wirst ja richtig erwachsen«, stellte James fest. »Ständig überraschst du mich, und du fragst mich nie mehr um Rat oder Hilfe, wie du es früher getan hast.«
Lauren begann zu lachen.
»Was ist?«, fragte James.
»Nichts«, kicherte Lauren. »Nur …« Sie hielt inne, um ein schnaubendes Geräusch verlauten zu lassen. »… der Gedanke, dich um Rat zu fragen! Du bist nicht gerade Mr Erwachsen persönlich, weißt du.«
James war gekränkt. »Ich bin sehr wohl erwachsen«, verteidigte er sich.
»Wie du meinst, Bruderherz.« Lauren kicherte.
James blieb keine Zeit, die kleine Kabbelei weiterzuführen,
da in diesem Moment ein weißes Auto vor dem Haus hielt.
Als Marvin Teller ausstieg und den Cowboyhut auf seinen Kopf stülpte, schien sich der Wagen mit einem erleichterten Seufzer zu heben. Marvin trug heute einen senfgelben Anzug mit weißen Lederstiefeln.
Er öffnete den Kofferraum. James wurde klar, dass es jetzt ernst wurde, als er sah, wie Marvin zwei grell orangefarbene Overalls herausnahm und sich über jede Schulter eine Kettenfessel warf.
Aber zunächst einmal versammelten sich alle um den Frühstückstisch. Dave, John und Marvin waren von Laurens Kochkünsten begeistert und verlangten nach einem Nachschlag, aber James brachte nur ein paar Bissen herunter.
Sein Magen schlug Purzelbäume. Er rannte nach oben zur Toilette und würgte ein paarmal, brachte jedoch nichts hervor. Alles, was er über die Gefahren innerhalb des Gefängnisses gelernt hatte, stand ihm nun deutlich vor Augen. Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und versuchte, wieder locker zu werden, indem er langsam und tief Luft holte.
Als er in die Küche zurückkam, machte John ein besorgtes Gesicht. »Was ist los?«
»Die Aufregung«, gestand James.
»Du kennst die Regeln«, sagte John. »Du kannst dich von dieser Mission jederzeit zurückziehen, ohne dass du dafür bestraft werden würdest.«
Es stimmte zwar, dass James nicht bestraft werden würde. Aber es stimmte auch, dass ihm nie wieder jemand einen anderen Einsatz anbieten würde, wenn er jetzt einen Rückzieher machte und die Mission ruinierte. Er würde den Rest seiner Zeit bei CHERUB mit Routineüberwachungen, Einbrüchen und Sicherheitstests verbringen. Er war nicht bereit, all die Mühen, die er in die Ausbildung und seine Einsätze investiert hatte, zunichtezumachen, nur weil er heute Morgen etwas nervös war.
»Keine Angst«, meinte er und gab sich Mühe, cool zu klingen. »Sobald es richtig losgeht, habe ich gar keine Zeit mehr, mir Sorgen zu machen.«
Die Jungen folgten Marvin ins Wohnzimmer, während John und Lauren das Geschirr in die Spülmaschine räumten. Marvin bat sie, alles auszuziehen, inklusive Uhren und Schmuck. Socken, T-Shirts und Unterhosen tauschten sie gegen die Gefängniswäsche. Die Sachen rochen zwar nach Desinfektionsmittel, aber die Flecken und Risse darin erinnerten sie unangenehm an die früheren Besitzer.
Die weit geschnittenen orangefarbenen Overalls, die sie darüber trugen, sollten möglichst gut sichtbar sein, damit man einen Gefangenen, der bei einem Transport entfloh, leicht erkennen
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