Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
einem Naturfilm, wobei Sal den jagenden Löwen spielte und Ethan die arme kleine Gazelle, der gleich die Kehle durchgebissen werden würde.
Das Verfolgerteam war etwa acht Mann stark, doch man konnte nicht sagen, ob sie, wenn Sal seine Beute erreichte, mitmachen oder nur zusehen würden. Guillermo war noch weiter zurück, da er seinen massigen Körper kaum zum Joggen bringen konnte.
Ryan hatte bis auf siebzig Meter zu ihnen aufgeschlossen, als Sal lossprang. Ethan stürzte ins Gras und hatte Glück, sich bei seinem Purzelbaum nicht das Genick zu brechen. Sal stemmte ihm das Knie auf die Hüfte, doch Ethan stieß ihn fort und stand wieder auf.
»Er hat ihn erstochen!«, schrie einer der Jungen hinter Sal.
Mittlerweile war Ryan nur noch zwanzig Meter hinter den beiden und sah, wie Sal sich den Zirkel aus dem Arm riss.
»Du bist tot, du Wichser!«, brüllte er, als er weiterlief.
Ryan kam Sal immer näher und war nach sechshundert Metern immer noch voll in Fahrt, während andere Jungen bereits langsamer wurden.
Nach dem ganzen Stress schien Amys Plan jetzt doch noch aufzugehen.
Ethan hatte keine Ahnung, dass einer seiner Verfolger sein Problem sowohl geschaffen hatte als auch beabsichtigte, ihn zu retten. Er rannte entsetzt davon, hielt sich den Bauch vor Seitenstechen und lief auf das Drahtzauntor für die Hausmeister zu. Er hatte nur keine Ahnung, ob es verschlossen war.
Weitere Jungen hatten die Verfolgung aufgegeben. Als Ethan atemlos gegen das Tor prallte, führte Sal die anderen an, während ihm Ryan und drei andere dichtauf folgten. Ethan griff mit zitternder Hand nach dem Metallhaken, mit dem das Tor geschlossen wurde.
Die Angeln quietschten, als er es weit genug öffnete, um seinen schmalen Körper hindurchzuschieben. Sal erreichte es, als der Haken wieder herunterfiel, und die anderen schlossen zu ihm auf. Ryan kannte die Schulanlage nicht gut und sah sich um, während die anderen um ihn herum keuchten.
Sie befanden sich an der Nordostecke des Schulgeländes und knapp fünfzig Meter weiter verlief eine viel befahrene vierspurige Straße. Ethan stand in einer gewundenen einspurigen Auffahrt, an die sich Ryan erinnerte, weil Amy ihn dort ein paar Stunden zuvor abgesetzt hatte.
Sal griff nach dem Haken, doch an der Stelle war im Zaun eine Lücke, damit man auch von außen an ihn herankam, und Ethan nutzte seine verbliebene Energie, um kräftig nach hinten auszutreten und Sals Finger zu treffen, woraufhin dieser vor Schmerz aufschrie.
Ryan war beeindruckt. Für einen Jungen, der weder über Geschwindigkeit noch über Kraft verfügte, hatte Ethan es ziemlich gut geschafft, sich gegen einen der stärksten Jungen seines Jahrgangs zu wehren. Doch er war auch besorgt. Wenn Ethan noch hundert Meter weiterrannte, wäre er vor dem Verwaltungsgebäude zwischen Kindern, Eltern und Lehrern. Sal konnte ihm dann höchstens ein paar Schläge verabreichen, bevor jemand eingriff, und das bedeutete, dass Ryan keine Chance bekam, Ethan zu retten.
Durch den kurzen Stopp schmerzte Ethans Seite noch heftiger, und der Schweiß, der ihm die Stirn hinunterrann, ließ ihn nur unscharf sehen. Als er sich umdrehte, um die Auffahrt entlangzurennen, sah Ryan einen VW-Geländewagen hinter ihm kommen. Die Frau am Steuer hatte zwei kleine Kinder im Wagen und schrie eines davon gerade an.
Erlaubt waren zwanzig Stundenkilometer, aber die Frau hatte eher fünfzig drauf, als sie Ethan mit dem Kotflügel erwischte. Ryan schrie erschrocken auf, als Ethan herumgewirbelt wurde. Sein Kopf flog zurück, es knallte entsetzlich, und einen Augenblick lang sah es aus, als würde Ethan von der Kühlerhaube abprallen, doch das Auto war groß, sodass er zwischen den Vorderrädern verschwand.
Die Fahrerin trat auf die Bremse, sodass die Reifen qualmten, doch sie fuhr zu schnell, um zu verhindern, dass einer der Hinterreifen über Ethans Körper rollte. Der bremsende Geländewagen verlor die Spur und streifte den Metallzaun, sodass Funken flogen, während Ethan durch die Luft geschleudert wurde.
Der große VW rammte einen Betonpfosten und kam endlich zum Stehen. Über vierzig Kinder waren über das Gelände gerannt und alle hatten den Unfall gesehen und rochen den Gummi. Sie schrien entsetzt auf.
Ryan war zu Tode erschrocken und hatte ein schlechtes Gewissen, weil das alles seine Schuld war. Doch er hatte auf dem Campus auch Erste Hilfe gelernt, daher stieß er Sal aus dem Weg und rannte durchs Tor. Ethan lag auf dem Asphalt und zuckte heftig.
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